diyx hat geschrieben:Sehr interessante Geschichte. Ich frage mich aber immer noch, warum es dazu gekommen ist, dass Paris das absolute Zentrum Frankreichs ist, fußballerisch aber lange Zeit hinterher hinkte. Bei den Einwohnern und der Wirtschaftsstärke müsste man eine ähnliche Rolle von Paris in Frankreich wie von London in England erwarten...
Könnte daran liegen dass
a) Fußball in Frankreich eine historisch viel geringere Rolle spielt als in England.
Fußball ist in England, aber auch in Deutschland, Spanien oder Italien schon immer die klare Nummer 1. In Frankreich inzwischen auch, aber Handball, Basketball, Leichtathletik, Radsport und v.a. Rugby spielen in Frankreich eine größere Rolle als in den Nachbarländern. Rugby schafft es z.B. öfters in die Abendnachrichten vor dem Fußball, und hier sind die Pariser Klubs (Racing und Stade Francais) top.
b) Paris keine typische Arbeiterstadt ist.
Fussball war früher ein klassischer Proletarier-Sport, und dementsprechend hatten klassische Arbeiter- und Hafenstädte wie Saint-Etienne, Marseille oder Lens die besten Fußballvereine. Die eher bürgerlichen Paris und Lyon, die beide größten Städte des Landes, hatten jahrzehntelang keinen Spitzenklub. Auch jetzt rümpfen viele in Paris über Fußball nur die Nase, während in Marseille oder Saint-Etienne die Stimmung im Stadion eine ganz andere Kategorie ist.
c) die großen Pariser Vereine in den 60ern, in der Zeit als sich das bis heute bestehende Gerüst des Profifußballs bildete, alle bankrott gingen. Das hatte ich ja auf der letzten Seite beschrieben
Noch ein Update zur Rückkehr der Pariser Vereine (s. unten).
Red Star steht sensationell vor dem
Durchmarsch. Sollten sie den knappen 3. Platz tatsächlich bis zum Saisonende halten, gäbe es nächstes Jahr ein Pariser Derby, wie es ungleicher nicht sein könnte.
Gross gegen Klein. Reich gegen Arm. Konservativ gegen Radikallinks. Investorenklub gegen Traditionsverein.
froglegeater hat geschrieben:
In der Ligue 2 findet nämlich gerade die große Rückkehr der Pariser Vereine statt.
Paris FC ist gerade in die 2. Liga aufgestiegen, und peilt in den nächsten Jahren den Aufstieg in die Ligue 1 an. Das Budget ist nicht zu vergleichen mit z.b. RB Leipzig. Aber mit Vinci (weltgrößter Bau-Konzern) hat der Verein einen Großsponsor, der kräftig investiert. Selbst als Drittligist konnte der Paris FC mehrere Ligue-1-Spieler verpflichten, und rüstet nun weiter auf. Paris FC wurde 1970 als klassischer Plan-Klub gegründet, und sollte eigentlich der neue große, glanzvolle Hauptstadt-Verein werden. Im „Duell der Retortenklubs“ wurde man dann aber vom kleinen Bruder Paris Saint-Germain überflügelt, welcher nun das große Aushängeschild der Hauptstadt ist (Details bei Interesse s. unten). Im neuen Stadion Charléty in einem schicken Pariser Viertel beheimatet, plant Paris FC nun die Rückkehr in die Ligue 1.
Ebenfalls in die 2. Liga aufgestiegen ist Red Star FC, das genaue Kontrastprogramm zum Paris FC. Einer der ältesten Vereine Frankreichs (1897 gegründet), viel Tradition (u.a. 7-maliger Pokalsiger), aber wenig Geld (einer der niedrigsten Etats der 2. Liga). Red Star war jahrzehntelang der stärkste Pariser Verein (Details s. wieder unten), sowohl in Sachen Ergebnisse als auch Anhängerschaft. Nach einem spektakulären Absturz, mit dem Tiefpunkt 6. Liga im Jahr 2003, hat sich der Traditionsverein langsam wieder nach oben gearbeitet.
Vor allem durch sein Nachwuchszentrum, aus dem zuletzt mehrere Nationalspieler hervorgingen.
Auch die
Fans, die selbst in den Amateurligen noch zahlreich kamen, haben viel zu den Aufstiegen beigetragen. Aber da das alte Stadion nicht den Zweitliga-Normen entspricht und der Verein (noch) kein Geld hat um es zu renovieren, muss Red Star seine Heimspiele nun im 100km entferten Beauvais austragen.
Auch die junge Managerin
Pauline Gamerre (einzige Frau, die einen französischen Profiverein leitet) hat viel dazu beigetragen Red Star wieder wettbewerbsfähig zu machen. Als sie vor 5 Jahren ohne Vorkennntnisse den Posten bei dem bankrotten Traditionsverein übernahm wurde sie als "Teenie" belächelt. Inzwischen hat es der Verein - ohne Investoren oder Subventionen - von der 5. in die 2. Liga geschafft, und sie ist mit gerade mal 33 Jahren landesweit anerkannt
Dazu kommt der US Créteil, der zwar genaugenommen nicht aus Paris, sondern dem Vorort Créteil kommt (ähnlich wie Unterhaching für München). Aber dafür schon seit einigen Jahren die Region in der 2. Liga vertritt.
Wer wird die Nr. 2 hinter PSG?
Paris FC, mit seinem neuen, von der Stadt gestellten Stadion und seinem Sponsor Vinci?
Red Star, mit seiner jungen Präsidentin, seinem Nachwuchszentrum und seinen fanatischen Fans?
Créteil, mit seiner zweitliga-erfahrenen Mannschaft, die schon letzte Saison um den Erstliga-Aufstieg mitspielte?
Zur Mitte der Hinrunde steht Red Star überraschend auf Platz 5, nur 3 Punkte hinter den Aufstiegsplätzen zur Ligue 1. Créteil steht im gesicherten Mittelfeld auf Platz 10. Und Paris FC steht trotz der großen Investitionen nur auf einem Abstiegsplatz.