PSG hat in der Meisterschaft bereits einen doppelt so großen Vorsprung wie die Bayern in der Bundesliga.
Frankreich droht auf Platz 7 abzurutschen und einen CL-Platz zu verlieren.
Mit Caen und Angers stehen zwei Aufsteiger & No-Names auf den internationalen Plätzen.
Alles keine guten Nachrichten für die Ligue 1.
Daher wenden wir mal den Blick eine Etage tiefer, dort sieht es gerade positiver und interessanter aus.
In der Ligue 2 findet nämlich gerade die große Rückkehr der Pariser Vereine statt.
Lange Zeit in Paris wohnend, liegt mir der dortige Fußball natürlich am Herzen. Und in den letzten Jahrzehnten war der Fußball in Paris, bis auf PSG, praktisch tot. Der nächstbeste Pariser Verein war erst in der 4. Liga zu finden.
Nun lebt der Hauptstadt-Fußball wieder auf, seit dieser Saison stehen plötzlich 3 Pariser Vereine in der zweithöchsten Spielklasse. Und könnten bald um den Aufstieg in die Ligue 1 mitspielen.
Paris FC ist gerade in die 2. Liga aufgestiegen, und peilt in den nächsten Jahren den Aufstieg in die Ligue 1 an. Das Budget ist nicht zu vergleichen mit z.b. RB Leipzig. Aber mit Vinci (weltgrößter Bau-Konzern) hat der Verein einen Großsponsor, der kräftig investiert. Selbst als Drittligist konnte der Paris FC mehrere Ligue-1-Spieler verpflichten, und rüstet nun weiter auf. Paris FC wurde 1970 als klassischer Plan-Klub gegründet, und sollte eigentlich der neue große, glanzvolle Hauptstadt-Verein werden. Im „Duell der Retortenklubs“ wurde man dann aber vom kleinen Bruder Paris Saint-Germain überflügelt, welcher nun das große Aushängeschild der Hauptstadt ist (Details bei Interesse s. unten). Im neuen Stadion Charléty in einem schicken Pariser Viertel beheimatet, plant Paris FC nun die Rückkehr in die Ligue 1.
Ebenfalls in die 2. Liga aufgestiegen ist Red Star FC, das genaue Kontrastprogramm zum Paris FC. Einer der ältesten Vereine Frankreichs (1897 gegründet), viel Tradition (u.a. 7-maliger Pokalsiger), aber wenig Geld (einer der niedrigsten Etats der 2. Liga). Red Star war jahrzehntelang der stärkste Pariser Verein (Details s. wieder unten), sowohl in Sachen Ergebnisse als auch Anhängerschaft. Nach einem spektakulären Absturz, mit dem Tiefpunkt 6. Liga im Jahr 2003, hat sich der Traditionsverein langsam wieder nach oben gearbeitet.
Vor allem durch sein Nachwuchszentrum, aus dem zuletzt mehrere Nationalspieler hervorgingen.
Auch die
Fans, die selbst in den Amateurligen noch zahlreich kamen, haben viel zu den Aufstiegen beigetragen. Aber da das alte Stadion nicht den Zweitliga-Normen entspricht und der Verein (noch) kein Geld hat um es zu renovieren, muss Red Star seine Heimspiele nun im 100km entferten Beauvais austragen.
Auch die junge Managerin
Pauline Gamerre (einzige Frau, die einen französischen Profiverein leitet) hat viel dazu beigetragen Red Star wieder wettbewerbsfähig zu machen. Als sie vor 5 Jahren ohne Vorkennntnisse den Posten bei dem bankrotten Traditionsverein übernahm wurde sie als "Teenie" belächelt. Inzwischen hat es der Verein - ohne Investoren oder Subventionen - von der 5. in die 2. Liga geschafft, und sie ist mit gerade mal 33 Jahren landesweit anerkannt
Dazu kommt der US Créteil, der zwar genaugenommen nicht aus Paris, sondern dem Vorort Créteil kommt (ähnlich wie Unterhaching für München). Aber dafür schon seit einigen Jahren die Region in der 2. Liga vertritt.
Wer wird die Nr. 2 hinter PSG?
Paris FC, mit seinem neuen, von der Stadt gestellten Stadion und seinem Sponsor Vinci?
Red Star, mit seiner jungen Präsidentin, seinem Nachwuchszentrum und seinen fanatischen Fans?
Créteil, mit seiner zweitliga-erfahrenen Mannschaft, die schon letzte Saison um den Erstliga-Aufstieg mitspielte?
Zur Mitte der Hinrunde steht Red Star überraschend auf Platz 5, nur 3 Punkte hinter den Aufstiegsplätzen zur Ligue 1. Créteil steht im gesicherten Mittelfeld auf Platz 10. Und Paris FC steht trotz der großen Investitionen nur auf einem Abstiegsplatz.
Mittelfristig würde es mich aber nicht wundern, wenn einer dieser drei den Aufstieg schafft, und PSG Konkurrenz in der eigenen Stadt macht.
Wen's interessiert, ein etwas genauerer Blick auf den Fußball in Paris:
Als die 1. Liga 1932 gegründet wurde, hatte Paris 3 Erstligisten: Racing Club, Stade Français und Red Star. Diese 3 Vereine hatten schon vor Gründung der Liga jede Menge Titel angesammelt, und waren bis in die 60er Jahre hinein die „Pariser Big 3“.
Vor allem Racing Club und Red Star waren damals die großen Rivalen. Racing Club als der noblere Klub aus dem reichen Stadtzentrum. Red Star als Verein der Arbeiterviertel am nördlichen Stadtrand.
Red Star wurde übrigens bereits 1897 von Jules Rimet gegründet, dem Mann der später auch die Fußball-Weltmeisterschaft erfand, und nach dem der alte WM-Pokal („Coupe Jules Rimet“) benannt wurde. Jules Rimet sah Red Star auch als Werkzeug, um durch Sport und soziales Engagement die Lebensbedingungen im verarmten Norden der Hauptstadt zu verbessern.
Die große Zeit von Red Star endete mit dem Zweiten Weltkrieg. Der Verein war bei dem Petain-Regime und den deutschen Besatzern natürlich nicht gerade beliebt, verlor etliche seiner Fans, selbst einige Spieler wurden durch die Besatzer exekutiert.
Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg gehörte dem Stade Français und Racing Club. Stade Français dominierte die 50er-Jahre und nahm auch in den 60er-Jahren noch am Messepokal (dem Vorläufer des UEFA-Cups) teil. Trainer war damals ein gewisser Helenio Herrera, der später bei Inter Mailand den Catenaccio-Fußball erfand, und zweimal in Folge den Landesmeister-Pokal gewann. Die Himmelblauen vom Racing Club waren in den 60ern unser Bayer Leverkusen aus den frühen 2000ern: Bekannt für den offensivsten und schönsten Fußball in ganz Frankreich, aber regelmäßig auf der Zielgeraden den Titel verspielt.
Ende der 60er Jahre brach der Profifußball in Paris dann schlagartig zusammen:
Stade Français und Racing Club gingen in die Insolvenz, und mussten im Amateurfußball neu anfangen. Red Star hielt sich zwar bis Mitte der 70er Jahre in der 1. Liga, verfügte aber nicht über die finanziellen Mittel der beiden großen Pariser Klubs, und spielte meistens gegen den Abstieg.
Aus Wunsch der Politik musste ein neuer, „würdiger“ Hauptstadt-Verein her, der Paris gebührend vertreten kann. Dieser neue Hauptstadt-Verein wurde sorgältig geplant. Und am Ende kam doch alles anders...
Einflussreiche Politker und die Direktion des nationalen Fußballverbandes widmeten sich 3 Jahre lang der Planung des neuen Hautpstadt-Vereins. Die Pariser Bevölkerung wurde in der Presse aufgerufen, über Namen, Vereinsfarben etc abzustimmen. Das Ergebnis war der Paris FC, der mit großer Publicity gegründet wurd. Die Euphorie war groß, bevor der Paris FC überhaupt sein erstes Spiel absolvierte, hatte er schon 18 000 Mitglieder.
Der neue große Hauptstadt-Verein hatte aber noch keinen Platz in der 1. Liga, und steht vor demselben Problem wie zuletzt
: Wie kann man möglichst hoch im Ligasystem einsteigen, ohne sich durch die ganzen Amateurligen quälen zu müssen? Die Lösung war damals dieselbe wie heute für Leipzig: Man kauft die Lizenz eines anderen Teams auf. Das höchste verfügbare Team war Stade Saint Germain, ein kleiner Stadtrand-Verein, der gerade von der 3. in die 2. Liga aufgestiegen war. So entstand der „Paris Saint Germain FC“, der 1970 seine erste Zweitliga-Saison absolvierte, und im Jahr darauf in die 1. Liga aufstieg.
Der neue Verein hatte seine Rechnung allerdings ohne die Politik gemacht: Diese wollte keinen Verein der nach einem Vorort „Saint-Germain“ benannt ist, sondern einen großen Verein im Zentrum von Paris. Es wurde verlangt, der Verein solle sich in „Paris FC“ umbenennen, ansonsten werde die Stadt Paris die Subventionen einstellen und die Nutzung des Prinzenparks verbieten. Die Mitgliederversammlung von PSG verweigerte sich diesem Ultimatum. Als Folge dessen wurd der Verein geteilt: Die Profi-Mannschaft verblieb als Paris FC in der 1. Liga. Die Amateurmannschaft startete als Paris Saint Germain in der 3. Liga.
Der Paris FC hat beste Startbedingungen: Von der Stadt Paris bekam man den brandneuen Prinzenpark zur Verfügung gestellt, dazu großzügige Subventionen, die es dem Paris FC ermöglichten auf Anhieb etliche Nationalspieler einzukaufen. Doch anstatt um den Titel, spielte der Verein in den folgenden Jahren gegen den Abstieg. 1974 stieg Paris FC trotz allen Geldes und politischer Unterstützung ab, und im gleichen Jahr marschierte Paris Saint Germain mit seiner Amateurmannschaft in die 1. Liga durch.
Seit Mitte de 70er-Jahre hat sich an den Fußball-Verhältnissen in Paris nicht viel geändert:
Paris Saint Germain konnte sich in der 1. Liga etablieren, und wurde bald auch von der Politik akzeptiert, die den Verein noch wenige Jahre zuvor in den Amateurfußball verbannt hatte.
Mit Red Star stieg bald der letzte verbliebene Lokalrivale ab, und PSG blieb einziger Hauptstadt-Verein in der 1. Liga, bis auf einige Erstliga-Saisons von Racing Club in den 80er-Jahren.
Red Star, Racing Club und Stade Francais stürzten in den 90er und 00er-Jahren allesamt in den Amateurfußball ab.
PSG konnte seine Vormachtstellung hingegen weiter ausbauen. Erst mit dem Einstieg von Canal+ (dem französischen Bezahl-Fernsehen), das PSG zum finanzstärksten Verein des Landes aufrüstete. Und neuerdings durch den Einstieg Qatars, durch den PSG nicht nur national, sondern weltweit zu den finanziellen Schwergewichten gehört.
Und was bringt die Zukunft? Es wird sicher keinen gleichwertigen Lokalrivalen für PSG geben. Niemand kann mit dem Millionen, bald Milliarden, Qatars mithalten.
Aber es gibt viele Fans, die mit PSG nichts anfangen können. Nicht nur im Rest des Landes, sondern auch in Paris. Den einen ist PSG weiterhin zu „prollig“, ein Emporkömmling vom Stadtrand mit seinen Vorort-Fans. Den anderen ist PSG zu reich und zu „bling bling“ seit dem Einstieg Qatars. Diese Nischen versuchen Paris FC und Red Star auszufüllen. Als schicker Verein des Stadtzentrums einerseits, und als alternativer Szeneverein à la St. Pauli andererseits.