Hallo Vollspann,
ich gebe dir recht, dass mir manchmal schlichtweg die Geduld bei diesem Thema fehlt, um hier wieder alles minutiös und seriös durchzukauen. Es ist eben ein alter Hut, zu dem schon viel gesagt worden ist. Aber dein Beitrag ist wirklich gut und verdient eine ebensolche Antwort und so will ich das mal versuchen.
Vollspann hat geschrieben:Ich finde allerdings auch, dass hier in der Investorenfrage viele Fantasien und Wunschträume blühen.
Erstmal ist schon der Begriff des "Investors" und die Forderung, solche endlich zuzulassen, irreführend. Ein Investor investiert in etwas, übernimmt deswegen aber nicht zwingend gleich die Mehrheit. Was hier gefordert wird, ist ein Persilschein für Totalübernahmen. "Investoren" haben wir auch jetzt schon bei ziemlich jedem BuLi-Verein.
Stattgegeben. Aber das ist ja eher ein semantisches Problem. Gemeint sind nun einmal Übernahmen von Mehrheitsanteilen. Wir können auch gerne von Mehrheitseigners sprechen, wenn das dir eher zusagt.
Natürlich kann sich ein Sponsor oder Mäzen auch mit einer Miderheitsbeteiligung zufriedengeben, er hat dann aber keinen oder nur geringen Einfluss auf die Entscheidungswege im Club. Ich finde es normal, dass Menschen, die sich zum Teil mit achtstelligen Summen an einem Verein beteiligen, entsprechend auch Einfluss auf die sportlichen und wirtschaftlichen Belange nehmen wollen.
Vollspann hat geschrieben:Dann bezweifle ich, dass da überhaupt eine derartige Vielzahl seriöser Aufkäufer für BuLI-Vereine Schlange steht, die uns dann unsere Investorenträume auch noch so erfüllen, wie es uns die Fans dieser Idee gerne in unsere schönsten Träume hineinmalen. (Sonst wären schon mehr den Weg von Reiherbrause gegangen).
Das bezweifle ich wiederum nicht. Ich denke, Deutschland ist als Wirtschaftsstandort selbst stark genug, um lokale Investoren auf den Plan zu rufen. Außerdem sind viele Bundesligaclubs mindestens genauso attraktiv, wie Vereine in England (Hull z.B.), Frankreich (Monaco) oder Italien (Mailand). Dass sich die Investoren eher richtung diese Ligen orietieren hat sicherlich in erster Linie mit 50%+1 zu tun. Natürlich würden nicht alle Investoren sofort nach Deutschland strömen, wenn man die 50%+1-Regel abschaffen würde, aber die Bundesliga würde sicherlich ihren "fairen Anteil" an solchen Investoren bekommen.
Vollspann hat geschrieben:Dann wird die Karte der Ungerechtigkeit gezogen. Bei Lev und WOB ist es aber nun mal so, dass die Konzerne tatsächlich seit Ewigkeiten engagiert waren. (Die Frist hier würde ich auf 7 Jahre senken, das war ja mal fast schon durchgewunken)
Die Karte der Ungerechtigkeit ziehe ich nie und sehe das auch anders, kann also bei diesem Thema dir nur beipflichten.
Vollspann hat geschrieben:Dann heisst es, solche gängelnden Einschränkungen gäbe es sonst nirgends in der Wirtschaft. Typischer Fehlschluss. Davon gibt es Unmengen. Und auch in Branchenverbänden ist es völlig normal, demokratisch Regularien zu setzen. Letztlich läuft es in der DFL auch nicht anders, wer mit dem Mehrheitswillen nicht klar kommt, soll halt einen eigenen Wettbewerb gründen.
Zum vermeintlichen Mehrheitswillen wurde ja oben schon was geschrieben. Die Rassentrennung wear in den USA auch mal mehrheitsfähig. Die Sklaverei auch. Derzeit ist in Russland die Meinung mehrheitsfähig, dass man den Westen in einem ideologischen Krieg in die Schranken weisen muss. Nur wenn eine Meinung mehrheitsfähig ist, ist sie noch lange nicht richtig.
Dass es Beschränkungen auch woanders gibt, ist noch kein Grundlage, um Beschränkungen in diesem Fall zu legitimieren. Ich zitiere mal einen Grundsatz: "In einer Demokratie braucht man einen Grund, um etwas zu
verbieten, man braucht keinen Grund, um etwas zuzulassen."
Der Grund, um die Investoren zu verbieten, kann eigentlich nur sein, dass sie den deutschen Profiligen mehr schaden würden, als sie ihnen nützen. Diese These ist aber nicht bewiesen. Komplett beweisen ließe sie sich ja eh nur, wenn man das Experiment wirklich durchführt. Aber auch wenn wir uns Anhand der gesammelten Erfahrungen der anderen Ligen ein Meinungsbild bilden wollen würden, so käme ganz sicher kein klar negatives Bild heraus, das ein Verbot auch nur annährend rechtfertigen würde (siehe unten).
Vollspann hat geschrieben:
In den US-amerikanischen Profiligen sind solche Lizenzvorgaben auch völlig normal, niemand käme auf die absurde Idee, gegen die als Marktwirtschaftsinkonforme Eingriffe in das freie Unternehmertun zu agitieren.
Sorry, aber dieser Vergleich hinkt dermaßen, dass er schon fast umfällt. Die US-amerikanischen Regulierungen verbieten keine Investoren, sondern setzen Gehaltsobergrenzen sowie regulieren die Transferaktivitäten. Sie sind in ihrer gänze darauf ausgerichtet, einheitliche Voraussetzungen für alle Teilnehmer der Liga zu schaffen, die Schwachen (durch das Draft-System) zu begünstigen und die starken etwas mehr zu fordern, um Wandel an der Spitze zu stimulieren.
Ein Verbot der Investoren:
- Zementiert die aktuellen Kräfteverhältnisse in der Bundesliga und auch im eurpäischen Vergleich
- Hält ungleiche Kraftverhältnisse in der Liga (keine Gehaltsobergrenze) und in Europa (Standortnachteil Deutschland) aufrecht
Ist also ein völlig anderes Paar Schuhe.
Vollspann hat geschrieben:
Dann wird Malaga als leuchtendes Beispiel angeführt. [...]
Ich führe Malaga nicht als leuchtendes Beispiel. Weiß Gott, es gibt genug leuchtende Beispiele: PSG, Monaco, ManCity, Chelsea, ManU, Arsenal, Liverpool, Real durch die Perez-Millionen, Valencia und Mailand die auf dem Sprung sind. Salzburg in ihrer eigenen Dimension. Jeder einzelne dieser Clubs hat sich durch den Investor mindestens nicht verschlechtert, die meisten haben sich verbessert. Aktuell stellen Investorenclubs wohl drei Viertel der europäischen Fußballelite. Die einzigen beiden Clubs ganz oben, die nicht in Investorenhand sind, sind Bayern und Barca, wobei Barca mit ihrem Qatar-Deal, Minderjährigenhandel und den internen Qureleien sicher nicht gerade das ist, was man sich als traditionelles Gegenmodell zum Investorenclub vorstellt. Wenn ich mir Barcas aktuelle Club-Kultur ansehe, ist mir der RB Leipzig da durchaus sympathischer.
Vollspann hat geschrieben:
Überhaupt soll man alles tun, was Geld bringt, ohne weitere Evaluation. Die PL tut das.
Nein. Aber die Evaluation kann sich nicht allein auf unbegründete Ängste und Vorurteile stützen, indem einzelne Negativbeispiele der Investorentätigkeit herausgepickt und positive Entwicklungen komplett ausgeblendet werden. Ein weiteres beliebtes Modell ist auch, ohne weitere Begründung zu unterstellen, dass die oben genannten mehrheitlich positiven Beispiele sich in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten auch ins Negative verkehren werden. Irgendwann wird der Investor bestimmt die Lust verlieren. Irgendwann wird der Club bestimmt pleitegehen, und so weiter. Unbegründete Unterstellungen und Spekulationen, die durch keine Statistik und keine Fakten gestützt werden. Statistisch gesehen gehen nämlich viel mehr Nicht-Investoren-Clubs pleite, als umgekehrt.
Vollspann hat geschrieben:
Die sportliche Schwäche der PL im Vergleich zu den finanziellen Möglichkeiten könnte aber auch genau daran liegen: 20 er Liga, 2 Pokalwettbewerbe auch noch mit H/R-Spiel-Schema. Ausufernde Auslandsreisen zur Vorbereitungszeit. Keine Winterpause. Vielleicht brechen die ja auch deswegen europäisch immer wieder in der Rückrunde zusammen? Vorgaben zur Jugendausbildung gibt es auch nicht.Vielleicht müssen die alleine deswegen auch schon wesentlich mehr Geld für die selbe Kader-Qualität ausgeben wie ein Bundesligist?
Welche sportliche Schwäche? Die PL hatte zwei magere Jahre, ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder stark im kommen. Auch in ihrer schwierigsten Phase hat die PL alle deutschen Clubs bis auf die Bayern klar in den Schatten gestellt. Ja, ja - ich weiß - der BVB hat einmal das Finale der CL erreicht. Aber darüber hinaus kam auch von Dortmund nicht viel. Schalke war mal im Halbfinale? Stimmt - da ging man dann 4:0 gegen ManU baden. In der stärksten Phase der Bundesliga und in der schwächsten Phase der PL in den letzten Jahrzehnten haben beide Ligen genau einen CL-Titel geholt, was sagt uns das? Wenn das eine Schwäche sein soll, dann wünsche ich mir, dass auch die Schwächephasen der Bundesliga so aussehen.
Und die vielen Auslandsreisen haben nun dazu geführt, dass die PL mit ihrem TV-Vertrag die 3-4-fache Summe der Bundesliga generiert und die Clubs bereits diese Saison klar die Muskeln spielen lassen und mit die besten Spieler aus der Bundesliga abwerben.
Vollspann hat geschrieben:
Ismaik? Kühne? Typen wie der Malaga-Sponsor?
Schon interessant, dass du Ismaik und Kühne in einem Atemzug mit dem Malaga-Sponsor nennst. Sag mir bitte, inwieweit Ismaik oder Kühne negative Auswirkungen auf ihre Clubs gehabt haben. Ohne Ismaik wäre 1860 nicht mehr zweitklassig - der Mann hat dem Club den Arsch gerettet. Und ganz sicher ist die geballte, konzentrierte sportliche und finanzielle Unfähigkeit dieses Klubs nicht seine Schuld, ebenso nicht Idiotie und der Egoismus der handelnden Personen. Kühne hat dem HSV wiederholt Geld für wichtige Transfers geliehen, ohne die der Dino wahrscheinlich inzwischen in der 2. Liga wäre. Dass er ab und an mal öffentlich Forderungen gestellt hat, die eh nicht erfüllt wurden, ist dafür sicherlich ein mehr als kleiner Preis. Wo also soll er dem Club geschadet haben. Der HSV sollte drei Kreuze machen, dass es Kühne gab.
Hier wird aber über beide Männer pauschal nagativ abgeurteilt. Nenn mit doch mal deine Gründe für die Negativbewertung von HSV und Kühne. Ich hoffe sehr, dass es sich dabei nicht um schwer fassbare Aussagen, wie "Er hat Unruhe reingebracht, vielleicht wäre ja ohnehin alles besser gelaufen" handelt, oder auch Negativspekulationen "Vielleicht wollten die Verantwortlichen ja eigentlich alles ganz anders und besser machen, und er hat sie nicht gelassen?".
Vollspann hat geschrieben:
Dass es oft solche Leute sind,die mit dem Hintern einreissen, was sie mit dem Geldbeutel aufbauen, sind natürlich Schauermärchen von rückwärtsgewandten Wettbewerbsverweigerern! Es wird immer alles ganz toll sein. Alle potentiellen big spender sind natürlich immer vernünftig, konstruktiv und von ernsthaften Interessen getrieben.
Nein! Wir müssen das jetzt alles freigeben und dann wird alles sofort gut und wir fahren endlich endlos Titel ein und werden mit weitem Abstand die Nr. 1.
Mal ehrlich: Solche Schönmalerei und diese Wunschtraumgemälde behindern eher den seriösen Blick auf die Sache. Dazu gehört dann auch der polemische Spruch, dass man, wenn man dem nicht vorbehaltlos zustimmt, wohl alsLeistungsverweigerer gar nicht an Erfolg interessiert sei und sich lieber in seiner unterklassigen Fußballromantik suhle.
Dabei scheint mir der Dissenz eher darin zu liegen, dass die einen beide Seiten der Medaille unvoreingenommen analysieren wollen, während die anderen immer nur und ausschließlich die Idee verkaufen wollen, ohne dass dem Gaul vorher noch mal ins Maul geschaut wird.
Ich bin immer für eine differenzierte und offene Diskussion zu haben: Investorenbeispiele in Deutschland: Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim, Leipzig, Ingolstand - allesamt positiv. Warum finden deinen Überlegungen weder Erwähnung noch Berücksichtigung. Warum wird immer erstmal vom Schlechten ausgegangen, wenn es zum Thema Investor kommt, wenn doch die mehrheitliche Erfahrung - national, wie international - eine andere ist?
Vollspann hat geschrieben:
In Sachen internationale Attraktivität darf man eines auch nicht übersehen:
Spanisch und Englisch sind Weltsprachen. Damit haben deren Ligen einen erheblich leichteren Markteintritt in den meisten Ländern. Fanidentifikation fällt wesentlich leichter, wenn man seinem Idol direkt zuhören kann, statt via Untertitel oder Syncro. Und das ganze hat einen rückkoppelnden, sich selbst verstärkenden Effekt. (Mehr Geld-mehr auslandswirksame Stars-bringt wieder mehr Geld usw.)
Wenn wir also alles für den Erfolg tun wollen, vielleicht sollten wir mit einer BuLi-Sonderabgabe eine massive Expansion der Goethe-Institute finanzieren?
Ja - Shaqiri hat sich ganz sicher für Stoke entschieden und nicht für Schalke, weil ihm Englisch einfach leichter fällt als Deutsch.

Tut mir Leid, der musste jetzt sein. Ich denke, da reden wir uns was ein. Deutschland hat sehr viele Standortvorteile für Ausländer (Stadien, Lebensqualität im Allgemeinen, Zentral in Europa gelegen, Medizinische Versorgung) - was den Clubs international das Genick bricht, ist eben der fehlende finanzielle Rahmen.
Vollspann hat geschrieben:
Ja, es ist fraglich, ob die BL, angesichts der PL-Geldschwemme, wie bisher durch gute Arbeit den finanziellen Abstand sportlich nivellieren kann. Aber manchmal muss ich einfach doch mal wieder auf den tatsächlichen Stand schauen, wenn ich hier so oft lese, wie rückständig und wettbewerbsunfähig die BuLi ist: Und jedesmal wieder staune ich. Wir stehen auf Platz 2! Kaum vorstellbar eigentlich, wenn man etwas zu lange solche Kommentare gelesen hat. Ich suche da immer erst so im Bereich zwischen 11 und 13.
Das liegt in der Natur der Sache. Die 5JW ist eben rückwärtsgewandt. Wir zehren von den Erfolgen der Vergangenheit. In den letzten Jahren haben wir in der Spitze abgebaut. In diesem Forum wurde auch schon der Aufschwung des deutschen Fußballs gefeiert, als alle anderen auf die 5JW geschaut und gesagt haben, dass Italien uns noch uneinholbar über Lichtjahre voraus ist. Es geht halt um die Zukunft und die sieht aufgrund der diskutierten Tendenzen eben nicht so schön aus.
Vollspann hat geschrieben:
Eins noch hinterher: Konstrukte wie bei Red Bull sind für mich ein Grenzfall. Abgesehen davon, dass sie den Leipziger Fussball von den Faschoschlägern befreit haben, mit denen eh keiner der Altvereine dort je noch mal eine Vorwärtsentwicklung erreicht hätte...sollte es ein Regularium für totale Kommerz-Neugründungen geben:
Aus meiner Sicht sollten sie erlaubt sein. Und es muss geregelt sein, in welcher Liga die dann starten müssen. Einfach anderes Vereines Lizenzen kaufen und in der Oberliga starten, finde ich nicht ganz koscher. Es kann natürlich auch nicht die Kreisliga sein. Aber ein Niveau, wo dann anschliessend schnell mal 7 Jahre zusammenkommen, bis man es in die 1.Liga geschafft hat. Dann ist auch der hier von den Fans der Investorenidee so geheiligten Gerechtigkeit Genüge getan. Zeitlich liefe es dann auf die selbe Frist hinaus, wie bei einem Bestandsclub. (Nach meiner Forderung s.o.)
Ist ein valider Standpunkt, mit dem ich leben kann, auch wenn ich ihm nicht komplett zustimme, da er Investoren eher dazu verleiten wird, lieber gleich in die italienische und französische Liga zu gehen.
"Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt, wie die Intelligenz - jeder meint, er hätte genug davon."
Rene Descartes