Da mir als Halbfranzose Ligue 1 und Bundesliga gleichermaßen am Herzen liegen, hier eine kurze Zusammenfassung Hinrunde des französischen Fußballs:
Vor Beginn der Saison stand natürlich v.a. die massive Aufrüstung von PSG in den Schlagzeilen, welche in starkem Kontrast stand zu den Problemen der restlichen Klubs, welche sich Sorgen wegen sinkender TV-Einnahmen und der 75%-Steuer machen mussten. Aber auch das Abrutschens auf Platz 6 der Fünfjahreswertung hinter Portugal, wodurch die 5JW in Frankreich erstmals breite Medieninteresse bekam.
Was die 5JW angeht, konnte Platz 5 gegen Portugal zurückerobert werden, und die Chancen stehen gut diesen bis Saisonende zu halten (1,3 Punkte Vorsprung und ein Teilnehmer mehr zur Zeit).
Trotzdem war die Hinrunde aus französischer Sicht bestenfalls Mittelmaß.
Positive Überraschungen waren PSG, Lyon und Bordeaux, enttäuschend war Marseille, und katastrophal waren Montpellier und v.a. Lille.
Überraschend war die Qualifikation für die KO-Phase von PSG und Lyon keinesfalls, die große Punkteausbeute aber schon. Mit 15 bzw. 16 Punkten waren PSG und Lyon die erfolgreichsten Vereine in den CL- und EL-Gruppenspielen. Dass Bordeaux Platz 1 in seiner EL-Gruppe schaffen würde, war auch nicht zu erwarten, zumal Girondins sich nur durch ein last-Minute-Tor gegen Belgrad überhaupt für die Gruppenphase qualifizierte.
Angesichts des umso schlechteren Abschneidens der restlichen 3 Vereine waren diese Erfolge auch bitter nötig:
Von Marseille konnte man nicht wirklich viel erwarten. Durch die verpasste CL-Teilnahme steckte der Klub in großen finanziellen Schwierigkeiten, musste in der Sommerpause gleich 5 Stammspieler abgeben, gleichwertiger Ersatz konnte nicht verpflichtet werden. Dazu kam Pech, dass man (trotz hohem TK) in eine relativ schwierige Gruppe mit Fenerbahce und Mönchengladbach gelost wurde. Das Auftreten in den Gruppenspielen war allerdings sehr enttäuschend, v.a. das letzte Spiel gegen Limassol, das mit einer Mannschaft aus A-Jugend-Spielern abgeschenkt wurde.
Montpellier zahlte in der Champions-League Lehrgeld, dazu fehlte mit Giroud der Torjäger der Meistersaison, und bei einem Jahresetat von nur 30 Mio. Euro kann man auch keine Wunderdinge erwarten.
Eine unglaubliche Enttäuschung war hingegen Lille: Mit neuem Stadion und großen Ambitionen gestartet, folgten erschreckend schwache CL-Auftritte. Dies endete in einem letzten Spiel vor stummem Publikum gegen Valencia, dem Weggang von Torwart Landreau im Streit, und dem wohl folgenden Verkauf weiterer Spieler in der Winterpause. Angesichts der schwachen Europacup-Leistungen der letzten Jahre (letzte Saison Gruppenletzter noch hinter Trabzonspor, in den Jahren zuvor sogar in der KO-Phase der EL mit der B-Mannschaft angetreten) schrieb sogar L'Equipe: „Euch wollen wir international nicht mehr sehen“.
In der Meisterschaft blieb die von vielen befürchtete totale Dominanz des PSG aus. Paris startete mittelmäßig, mit einer neu zusammengestellten und nicht eingespielten Mannschaft, und lief erstmal den Topteam aus Lyon und Marseille hinterher. Vergangenes Wochenende konnte PSG durch einen 1:0-Sieg gegen Lyon die Tabellenspitze erobern, trotzdem bleibt es mit Paris, Lyon und Marseille (vor diesem Spieltag alle punktgleich an der Spitze!) ein spannender Dreikampf.
Während PSG also eine eher enttäuschende Hinrunde spielte, liegt vor allem Marseille weit über den Erwartungen (leider nur national..). Wobei Marseille sich oft zu glücklichen 1:0-Siegen zitterte. Niederlagen wie das 0:4 gegen Brest oder das 1:4 gegen Lyon sprechen da schon eine andere Sprache. Die Tordifferenz von gerade mal +3 auch.
Weitere positive Überraschungen sind Lorient und Nice, die mit mini-Etats den eigentlichen Europacup-Kandidaten Rennes, Bordeaux und Saint-Etienne bisher den Rang ablaufen. So ähnlich wie Freiburg, Frankfurt und Mainz in Deutschland.
Wie sieht die kurzfristige Zukunft für die Ligue 1 aus? Platz 5 gegen Portugal dürfte gehalten werden, wenn Leverkusen seinen Job gegen Benfica macht. Lyon (gegen Tottenham) und Bordeaux (gegen Dynamo Kiev) haben beide schwere Gegner bekommen, mindestens einen der beiden wird es wohl schon in der Zwischenrunde erwischen. Um seinen Ansprüchen gerecht zu werden, sollte PSG die Hürde Valencia schaffen. Gegen Teams wie Dortmund oder Juve sehe ich PSG trotz Millionenkader aber noch als Außenseiter. Gegen Bayern und Barca sowieso. Tipp: Im CL-Viertelfinale ist Schluss.
In der 4JW-Wertung liegt Frankreich nur noch auf Platz 6, jeweils 3 Punkte hinter Portugal und Italien. Aber immer noch komfortable 8 Punkte vor den Niederlanden als nächstem Verfolger. Wenn man eine zusätzliche CL-Quali-Runde vermeiden will, müssen nächste Saison aber mehr als 3 Teams überwintern. Mit PSG, Lyon und Marseille wird Frankreich dafür wohl ein (zumindest vom TK her) schlagkräftiges CL-Trio haben. Dafür wird es wieder ein schwaches EL-Feld geben. Lorient und Nice sind internationale Neulinge mit Mini-Etat, Rennes (derzeit Tabellen-6.) wäre der absolute Horror: 0 Siege in 16 EL-Spielen bisher! Es bleibt zu hoffen, dass Bordeaux (guter TK), oder Saint-Etienne (traditionell kein Abschenken des Europapokals) sich für die EL qualifizieren.
Nächste Saison könnten mit Nantes und Monaco zwei Traditionsklubs die Rückkehr in die Ligue 1 schaffen. Und Monaco würde, mit neuem russichen Präsidenten à la Abramovitch, auch eine gehörige Finanzkraft mitbringen. Die 75% Steuer dürfte den Monegassen auch egal sein, dort zahlt man nämlich gar keine Steuern.
Mittelfristig dürfte PSG die angestrebte Dominanz der Liga gelingen: Marseille und Lyon leiden unter finanziellen Problemen, und PSG hat als erster neureicher Klub
einen Weg gefunden das Financial Fairplay zu umgehen: Einfach einen Vertrag mit der Qatar National Bank als Hauptsponsor abschließen, über 100 Mio. Euro / Jahr. Und schon kann man wieder mindestens 100 Mio. pro Jahr ausgeben, eventuelle Mehreinnahmen aus Champions League etc kommen noch obendrein.
Was mich, obwohl langjähriger PSG-Anhänger, dabei ziemlich nervt ist dass von dem ganzen Geld fast nichts dem französischen Fußball zugute kommt. Das Geld geht fast ausschließlich für Stars aus der Serie A drauf. Nichts wird in französische Talente investiert, der erhoffte Geldsegen für die kleineren französischen Vereine blieb aus. Auch das enorme Potential der Region Paris wird ignoriert: Eine Riesenanzahl junger Talente hofft im Großraum Paris auf eine Karriere als Profifußballer, die Nachwuchsabteilung von PSG bringt aber kaum mal einen Profi hervor. Die meisten Talente müssen abwandern, und ihre Karriere in der Provinz beginnen. In dieser Hinsicht sind die Investment der Qataris zwar ein Segen für PSG (und indirekt über dessen Attraktivität auch für die französische Liga), die Nachwuchsförderung kriegt davon aber überhaupt nichts ab.