kleinerfisch hat geschrieben:Wenn die Ticketpreise niedrig sind, können sowohl Geringverdiener als auch Gutverdiener sie sich leisten.
Wenn die Ticketpreise hoch sind, können nur Gutverdiener sie sich nicht leisten.
Es geht also nicht darum, dass die eine oder die andere Gruppe die "besseren" oder "wünschenswerteren" Fans sind, sondern dass hohe Ticketpreise eine Gruppe schlicht ausschließen.
1) Nach der gleichen Logik könnte man argumentieren, dass Porsche ein böser Autobauer ist, weil seine Autos nur von wenigen gekauft werden können, während VW ein lieber Autobauer ist, denn dessen Autos können von vielen gekauft werden. Es gibt aber kein Gesetz, das Porsche verbietet, teure Autos herzustellen. Also fragt man sich, warum es ein solches im Fußball geben sollte.
Es ist auch nicht so, dass Menschen mit weniger Geld sich kein Auto mehr leisten können - sie können eben zu VW, Opel, Volvo und schätzungsweise 2 Dutzend anderen Herstellern greifen. Genauso ist es beim Fußball, auch da gibt es überall teure Tickets und günstige Tickets. 
2) Die Ticketpreise in England sind eventuell höher, aber sie sind nicht höher, als Ticketpreise für Musik-Konzerte (heutzutage gut und gerne 50-100 EUR), oder für Besuche im Kino (mit Cola und Popcorn kommt man heutzutage schnell auf 30 EUR) oder im Theater (30-70 EUR, je nachdem). All das wird von der Gesellschaft akzeptiert, aber ein Fußballspiel darf nicht so viel kosten? Wieso diese Sonderbehandlung? 
3) Ich denke, dass sich viele Leute diese Ticketpreise auch weiterhin leisten können würden. Es gibt nicht unendlich viele besser verdienende auf dieser Welt. Wenn die Stadien in England weiterhin voll sind, dann sitzen da im Old Trafford ganz sicher keine 70.000 Vorstandsvorsitzende von multinationalen Konzernen auf den Rängen und auch keine 70.000 Investmentbänker. Das heißt, der durchschnittliche Londoner kann sich diese Preise leisten, also wird hier gar keine Gruppe als solche ausgeschlossen, wie immer behauptet. Sonst gäbe es nämlich die Ultras und ihre Gesänge und Choreos in den Stadien nicht. Und wer jetzt sagt, die Stimmung in den Stadien in Ehgland sei öde, sollte sich die Stimmung bei ManU, Arsenal oder Liverpool genau ansehen und bedenken, dass man der Gewalt in den Stadien erst Herr werden konnte, als man dort Alkohol komplett verboten hat. Es ist also keineswegs ein überaltertes Opernpublikum, dass da die Stadien füllt.
4) Hier beziehe ich mich explizit auf diesen Teil deiner Aussage: 
kleinerfisch hat geschrieben:Es geht also nicht darum, dass die eine oder die andere Gruppe die "besseren" oder "wünschenswerteren" Fans sind, sondern dass hohe Ticketpreise eine Gruppe schlicht ausschließen.
Wenn man so argumentieren will, dann halte ich dagegen, dass niedrige Ticketpreise auch eine Gruppe ausschließen. Um in meinem Beispiel zu bleiben, ich als Familienvater hätte berechtigte Angst, meine Frau und meine kleinen Kinder in einen Pulk betrunkener und gewaltbereiter junger Männer zu führen. Ich könnte mir die Tickets leisten, und doch würde dieses Publikum meinen Besuch aus dem Stadion ausschließen. Es ist also nicht so, dass bei niedrigen Ticketpreisen die Schläger von Nebenan und die junge Familie zusammen im Block steht - nein, die junge Familie traut sich einfach nicht rein.
Ich finde auch nicht, dass sich nur Akademiker ins Stadion begeben sollten, natürlich nicht, aber wenn wir schon darüber reden, dass hohe Ticketpreise eine soziale Gruppe begünstigen und eine andere benachteiligen würden, müssen wir auch sehen, dass auch derzeit eine Benachteiligung einer sozialen Gruppe in vielen Stadien vorliegt.
kleinerfisch hat geschrieben:Das kann Dir egal sein, lieber Xell, aber dann sag das auch so. Schierer Egoismus (so nenn ich das) ist ja zunehmend mehrheitsfähig.
Und werfe bitte nicht anderen vor, sie würden "gute" und "schlechte" Fans unterscheiden, wenn Du selber 
Und ja - ich will Gentrifizierung. Ich will, dass die vierköpfige Familie mit dem Vater, der Bankangestellter ist, der Mutter, die Web-Designer ist und den beiden Kindern, die zur Schule gehen, ins Stadion geht und sich dort Pommes und Eis kauft. Ich finde nicht, dass das schlechter ist, als wenn 4 alkoholisierte junge Männer ohne höhere Bildung literweise Bier saufen und dazu unflätiges Zeug grölen. 
schreibst. Denn 
Du willst Gentrifizierung und findest, dass die Familie die "besseren" Fans sind. 
Du machst also genau die Unterscheidung, die Du anderen vorwirfst.
 
Was "schierer Egoismus" damit zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht wirklich. Will ich, dass meine Kinder keine Angst haben müssen, ins Stadion zu gehen? Sicher. Bin ich bereit, dafür mehr zu bezahlen? Ja. Ist das egoistisch? Jedenfalls nicht egoistischer, als zu sagen: "Da ich persönlich möglichst wenig Geld für meine Stadionbesuche ausgeben möchte und will, dass alles im Stadion so bleibt, wie ich mich dran gewöhnt habe, soll es Gesetze geben, die jede mögliche Veränderung im Keim ersticken, egal ob es anderen Menschen passt oder nicht." Genau das ist nämlich die Aussage der 50%+1-Befürworter - natürlich in überspitzter Form, um sie plastischer zu machen.
kleinerfisch hat geschrieben:Was Deine Argumente zum Zusammenhang Ticketpreise/Mehrheitseigener angeht, finde ich sie unzureichend.
Ein Vergleich aus der Bundesliga bringt da überhaupt keinen Mehrwert, weil es in der BL keine renditeorientierten Investoren gibt, die eben wegen 50+1 nicht erlaubt sind bzw. abgeschreckt werden.
Sowohl Bayer/VW mit ihrem Marketingansatz also auch Hopp mit seinem "der Region etwas zurückgeben" Ansatz würden sich ja ins Knie schießen, wenn sie in den Geruch kämen, breite Kreise bisheriger Fans über die Preise rauszukegeln.
Die Angst vor den hohen Preisen ist aber die Angst vor den renditeorientierten Investoren (also die, die langfristig mehr Geld aus dem Verein rausholen als reinbuttern, um den Begriff nochmal klarzustellen).
Es ist nun einmal so, dass aktuell die große Mehrheit der Investorenvereine in der europäischen Spitze in der Hand von Mehrheitseignern sind, die eben nicht auf Gewinnerzielung aus sind, sondern sich aus Image- bzw. Hobby-Gründen engagieren. Ich habe das hier schon mehrmals geschrieben, aber meinetwegen - schreibe es halt noch einmal: Chelsea, ManCity, PSG haben allesamt deutlich mehr Geld von ihren Eignern erhalten und verpulvern dürfen, als sie je wieder erwirtschaften können werden. Hinter diesen Investments steht kein wirtschaftliches Kalkül. Arsenal hat jahrelang ebenfalls viel Investorengeld ausgegeben. Dass sie es jetzt nicht tun, liegt nicht am Geiz der Besitzer, sondern an der Politik von Arsene Wenger. Die Investoren haben mehrmals bekräftigt, dass sie bereit wären, Geld für Verstärkungen in die Hand zu nehmen. Der einzige echte Spitzenclub, dessen Eigner gewinnorientiert sind, ist Manchester United. Dem stehen in der Spitze 4 Spitzenclubs, bei denen das nicht der Fall ist. Die vier Investorenclubs in der deutschen Liga (1 und 2) sind allesamt nicht gewinnorientiert.
Worauf fußt also die Annahme, dass bei einem Fall der 50%+1-Regel entgegen der bisherigen Erfahrungen im In- und Ausland ausschließlich oder mehrheitlich gewinnorientierte Investoren in die Liga strömen würden?
kleinerfisch hat geschrieben:Erstklassiger Fußball ist in dem meisten Städten ein Monopol eines Klubs, bestenfalls ein Oligopol weniger Klubs. Die Theorie der Preisbildung bei Monopolen zeigt, dass der Gleichgewichtspreis (der sich zwischen Angebot und Nachfrage bildet) bei Monopolen über dem bei Wettbewerb liegt (Stichwort Monopolrente), weil der Monolpolist allein den für ihn gewinnmaximierenden Preis festlegen kann. Im Wettbewerb sind dagegen beide Seiten an der Preisbildung beteiligt.
Der gewinnmaximierende Preis im Monopol ist übrigens in der Regel auch nicht der, bei dem die höchsten Mengen verkauft werden, anders als im Wettbewerb. Monopole sind daher nicht nur ungünstig für die Konsumenten (die eben mehr bezahlen müssen), sondern auch für die Gesellschaft als ganzes (die schlechter mit dem Monopolgut versorgt wird). 
Das sind übrigens von keiner Ausrichtung bestrittene volkswirtschaftliche Erkenntnisse. Selbst die Amis haben in ihrem wohl kapitalistischsten Kapitalismus aus gutem Grund Antimonopolgesetze.
Erstklassigen Fußball - je nachdem, wie man den Begriff definiert - gibt es in Deutschland nur noch in München und mit Abstrichen in Dortmund. Das heißt, dieses Produkt ist inzwischen aufgrund der geltenden Gesetze in Deutschland nahezu ausgestorben. Daher sollte man sich eventuell überlegen, ob man das Produkt nicht vielleicht doch retten möchte.
Das Monopol-Schema passt hier meiner Meinung nach nur bedingt, denn es gibt genug Alternativen, auf die der Konsument ausweichen kann: 
1) Er kann die Spiele im TV, beim Public- Viewing und in der Kneipe verfolgen
2) Er kann 2. und 3.Liga-Clubs im Stadion besuchen
3) Er kann auf eine andere Sportart (Eishockey, Basketball, Tennis, Formel 1) ausweichen.
Daher denke ich nicht, dass die Clubs hier in einer Monopolstellung sind.
kleinerfisch hat geschrieben:Übertragen auf den Fußball heißt das, der gewinnorientierte Investor strebt nicht unbedingt ausverkaufte Stadien an, sondern höchstmöglichen Umsatz. Ein klassischer Vereinsvorstand muß in dieser Frage ganz anders lavieren, da er einerseits den Umsatz braucht, um konkurrrenzfähigen Fußball zeigen zu können, und andererseits die Mehrheit der Fanstimmen zur Wiederwahl braucht. Ob er die von den beschriebenen Mittelklassefamilien bekommt?
Es ist mir unverständlich, wie ein offensichtlich streng kapitalistisch, wenn nicht gar neoliberal argumentierender Xell die Grundlagen des Kapitalismus so wenig zu kennen scheint.
Nein - er wird diese Mehrheit vn den beschriebenen Mittelklasse-Familien nicht bekommen. Und warum nicht? Weil sich Familienväter um die Familie kümmern müssen und keine Zeit haben, sich um Präsidiumswahlen bei einem Fußball-Club zu kümmern, wie eventuell alleinstehende Mittzwanziger mit einem Halbtagsjob. Wir haben eben ein System, in dem eine kleine Minderheit die Möglichkeit hat, ihre eigenen egoistischen Vorstellungen der Vereinsspitze aufzuzwingen und dadurch eine schweigende Mehrheit auszuschließen bzw. deren Interessen zu untergraben. Warum dieser Zustand erstrebenswert ist und unbedingt erhalten werden soll, erschließt sich mir nicht.
Zu den gewinnorientierten Investoren habe ich ja oben schon etwas geschrieben. Das ist eine geringe Minderheit unter den Investoren, in der Spitze kann man eigentlich nur ManU in diesem Zusammenhang uneingeschränkt nennen. Und das Old Trafford leidet nun wirklich nicht unter Besuchermangel. Manchester United ist trotz der Erfolge von Barca, Real und Bayern immer noch der beliebteste Club weltweit. Also auch diese Angst - Zuschauer- und Fanschwund durch gewinnorientierten Investor - besteht den Realitätstest nicht.