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Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Do 27. Aug 2015, 23:47
von Gurkentruppe
Xell hat geschrieben:Mal ganz abgesehen davon, dass Gentrifizierung ein schlimmes Unwort ist, mit dem irgendwelche Sondergruppen die Allgemeinheit aus kulturellen oder räumlichen Bereichen ausschließen wollen, die ihrer verdrehten Meinung nach nur ihnen zustehen - also nichts anderes, als Diskriminierung der Normalen. Und ja - ich will Gentrifizierung. Ich will, dass die vierköpfige Familie mit dem Vater, der Bankangestellter ist, der Mutter, die Web-Designer ist und den beiden Kindern, die zur Schule gehen, ins Stadion geht und sich dort Pommes und Eis kauft. Ich finde nicht, dass das schlechter ist, als wenn 4 alkoholisierte junge Männer ohne höhere Bildung literweise Bier saufen und dazu unflätiges Zeug grölen.
Fußball ist Nationalsport in Deutschland und jeder Mensch hat ein Anrecht darauf, nicht nur diejenigen, die Fußball zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht haben oder zu ihrer Religion, oder die einfach am lautesten brüllen im Stadion.
Wobei das letztlich nur eine Verlagerung der Problematik darstellt. Denn durch höhere Eintrittspreise verschwinden die alkoholisierten Fans ja nicht von der Bildfläche. Sie sind dann halt nur nicht mehr im Stadion. Und abgesehen davon: Auch die vierköpfige Familie muss sich einen Stadionbesuch erst einmal leisten können. Gerade diese Zielgruppe dürfte bei steigenden Ticketpreise schnell aus dem Stadion verschwinden.

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Fr 28. Aug 2015, 07:00
von Xell
Gurkentruppe hat geschrieben: Wobei das letztlich nur eine Verlagerung der Problematik darstellt. Denn durch höhere Eintrittspreise verschwinden die alkoholisierten Fans ja nicht von der Bildfläche. Sie sind dann halt nur nicht mehr im Stadion. Und abgesehen davon: Auch die vierköpfige Familie muss sich einen Stadionbesuch erst einmal leisten können. Gerade diese Zielgruppe dürfte bei steigenden Ticketpreise schnell aus dem Stadion verschwinden.
Natürlich verschwinden die alkoholisierten Fans nicht, aber sie sind dann deutlich weniger gefährlich, weil sie nicht in Grüppchen oder Horden im Stadion randalieren. Sicher, irgendwo in Kneipen kann es immer noch zur Schlägereien kommen, aber das Ausmaß ist deutlich geringer und das ist nicht mehr das Problem des Clubs oder des Fußballs im engeren Sinne, sondern "nur" ein gesellschaftliches.
Und die vierköpfige Familie muss sich den Besuch auch leisten, richtig, aber eine von mir beschriebene wird sich den noch leisten können. Es geht doch hier in erster Linie darum, dass Leute, die mehr Geld verdienen und daher auch höhere Ticketpreise zahlen können und dazu bereit sind, wegen ihres höheren Einkommens noch lange keine schlechteren Fans sind. Um es auf die Spitze zu treiben - auch vier junge Unternehmensberater oder Maschinenbauingeneure, die sich am Wochenende ins Stadion begeben sind keine schlechteren Fans, als die von mir bereits beschriebenen vier Jungs ohne höhere Bildung.
Wie gesagt, dass bestimmte Ultra-Gruppen sich für die einzig wahren Fans halten (mit im allgemeinen nierdigem Bildungsnniveau und niedrigem Einkommen) und durch das Unwort Gentrifizierung so tun, als wäre es etwas schlechtes, wenn mehr Menschen mit höherer Bildung und höherem Einkommen in die Stadien gehen, ist ein Unding an sich. Als könnte jemand, der Abitur hat oder studiert hat, sich nicht genauso für Fußball begeistern.

Und um Mal die völlig aus der Luft gegriffenen Kausalkette "Mehrheitseigner -> höhere Ticketpreise" endgültig zu zerschlagen: Hier kann man sich die Preise für die Dauerkarten aller 18 Bundesligisten ansehen.
Bild

Auf den ersten fünf Plätzen - also am teuersten - sind:
1) Paderborn
2) Frankfurt
3) Hamburg
4) Köln
5) Schalke

Also Clubs, die nicht nur nicht mehrheitlich in Investoren-Hand sind, sondern sich sogar oftmals als echte Investoren-Gegner und Fan-nahe Clubs aufspielen (man denke mal an einige Aussagen aus Frankfurt und Köln zu diesem Thema). Und wisst ihr, wer die ALLERGÜNSTIGSTEN Dauerkarten in der Bundesliga anbietet?
1) Leverkusen
2) Wolfsburg
3) Geteilt zwischen Hoffenheim und Hertha

Also noch einmal für alle zum Mitschreiben: DIE DREI VON MEHRHEITSEIGNERN GEFÜHRTEN CLUBS SIND AUCH DIE CLUBS, DIE IHREN FANS DIE GÜNSTIGSTEN DAUERKARTEN ANBIETEN.

Das ist Fakt. Keine Vermutung. Keine Sorge. Keine Vorahnung. Kein Bauchgefühl. Fakt. Können wir also bitte dieses konstruierte Scheinthema endlich abschließen?

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Fr 28. Aug 2015, 14:49
von KleeblattF
Xell hat geschrieben:
Sorry, aber du postest hier den Protestbrief einer Ultra-Organisation als objektive Quelle? Ernsthaft?

Und um Mal die völlig aus der Luft gegriffenen Kausalkette "Mehrheitseigner -> höhere Ticketpreise" endgültig zu zerschlagen:
Auf den ersten fünf Plätzen - also am teuersten - sind:
1) Paderborn
2) Frankfurt
3) Hamburg
4) Köln
5) Schalke

Also Clubs, die nicht nur nicht mehrheitlich in Investoren-Hand sind, sondern sich sogar oftmals als echte Investoren-Gegner und Fan-nahe Clubs aufspielen (man denke mal an einige Aussagen aus Frankfurt und Köln zu diesem Thema). Und wisst ihr, wer die ALLERGÜNSTIGSTEN Dauerkarten in der Bundesliga anbietet?
1) Leverkusen
2) Wolfsburg
3) Geteilt zwischen Hoffenheim und Hertha

Also noch einmal für alle zum Mitschreiben: DIE DREI VON MEHRHEITSEIGNERN GEFÜHRTEN CLUBS SIND AUCH DIE CLUBS, DIE IHREN FANS DIE GÜNSTIGSTEN DAUERKARTEN ANBIETEN.

Das ist Fakt. Keine Vermutung. Keine Sorge. Keine Vorahnung. Kein Bauchgefühl. Fakt. Können wir also bitte dieses konstruierte Scheinthema endlich abschließen?
@Xell, ich schätze dich als offensichtlich gebildeten gewandten und versierten Diskussions- und Gesprächspartner, ich finde mitunter aber, dass du (wohl auch genervt, weil du dich wahrscheinlich gefühlt ständig nur verteidigen und rechtfertigen musst) dich immer zum besserwissenden Rechthaber entwickelst, dessen einzigrichtige Position niemand erkennen kann oder will.
Lies bitte meinen Post nocheinmal durch. Mein Ziel war es a) eine andere Sichtweise zu Wort kommen zu lassen (und habe hierzu einen Artikel verlinkt, den ich für lesenswert halte, aber nicht als unumstößliche Wahrheit verkauft habe) und b) habe ich klar meine persönliche Position dargestellt, dass es mir wichtiger ist in die Kurve für einen vernünftigen Preis gehen zu können, als dass Bayern oder sonsteiner den maximalen Erfolg hat. Du magst diese Position nicht teilen, aber meine Gewichtung fällt nunmal so aus.
Grundsätzlich kann ich deine Position nachvollziehen und auch verstehen, aber mir sind eben andere Argumente wichtiger (und da mag ich auch verblendet, naiv, tradionalistisch oder sonstwas sein, das ist mir egal, ich geh ja auch zum Zweitligafußball).

Um nun zur Diskussion zurückzukommen. Ich kenne mich nicht bei allen Bundesligisten aus zwecks Dauerkartensituation, du hast sicherlich zum Einen grundsätzlich recht, dass Vereine wie die SGE, Köln oder Schalke relativ viel für ihre billigsten Tickets verlangen und ihre Fans mehr zahlen lassen als andere und vielleicht auch zu viel. ABER Hoffenheim, Leverkusen oder Wolfsburg hätten auf der anderen Seite wohl Probleme ihre Kurven vollzukriegen mit deutlich höheren Preisen. Ob das ganze jetzt ein Lockangebot ist und später die Preise steigen, wenn sie höhere Zuschauerzahlen/mehr Fanrückhalt haben, das weiß ich nicht. Fakt ist, es wäre kontraproduktiv sie jetzt zu hoch anzusetzen. Leider weiß ich auch nicht, wie einfach es ist eine der günstigen Dauerkarten (Hertha, Leverkusen...) zu bekommen, aber bei Bayern beispielsweise ist es quasi unmöglich, weil sie in keinen freien Verkauf gehen.
Um auf dein Beispiel mit der Familie zurückzukommen, mir geht es um die Kurve, da sind in der Regel keine Familien (egal ob das nun gut oder schlecht ist) und es sind in der Regel Fans, die das ganze nicht als Event sehen und für ein einmaliges/einjährliches Vergnügen viel Geld zahlen wollen.
Abgesehen davon geht die Kausalkette nicht Investorenklubs --> höhere Ticketpreise. Sondern: immer Wachstum geht auf Dauer nicht ohne auch die Ticketpreise deutlich zu erhöhen. Indirekt wirken da durchaus Investorenklubs mit, die Millionen in den Markt pumpen, die zuvor nicht im Fußballgeschäft verdient worden, aber im Idealfall danach dort wieder erwirtschaftet werden sollen. Und dann müssen eben Preise für Tickets, aber auch Merchandising, Werbung und TV nach oben gehen.

Um das Ganze bezüglich Investoren abzurunden. Auch wenn du wohl den Eindruck hast, ich gehöre zum erbitterten Gegnerlager, stimmt das nur bedingt. Ich sehe trotz all deiner Positivbeispiele Investoren skeptisch und habe mit Malaga oder Anzhi oder ManUtd (worüber wir unterschiedlicher Meinung sind, ob die Glazers nun "gut" sind oder nicht) auch schon Negativbeispiele genannt. Nichtsdestotrotz finde ich die jetztige Situation nicht gut, vor allem, weil die 50+1 durch Hoffenheim, aber auch RB (und auf andere Weise mit den Ausnahmen VW und Bayer) faktisch lächerlich ist. Deswegen fände ich eine wohldurchdachte Neuregelung gut und sinnvoll, würde im Kern aber nicht England oder Italien als Vorbild haben wollen, sondern einen anderen deutschen Weg bevorzugen. Und eine Neuregelung sollte kommen, denn spätestens wenn RB in der 1. Liga ist, sollte jeder erkennen, dass 50+1 in der Realität anders ist als in der Theorie.

Ich gehe in die Kurve, weil ich es hasse, wenn die Leute still werden, weil es auf dem Platz schlecht aussieht, wenn die Leute scharenweise das Stadion früher verlassen, weil sie nicht im Stau stehen wollen. Ich möchte die Stimmung und das Klima der Kurve haben, dafür bin ich nicht bereit unendlich viel zu zahlen und ich glaube, dass höhere Preise auch mittelfristig die Kurven verändern. Vielleicht haben wir auch einfach unterschiedliche Ansichten darüber, was wichtig ist.

p.s. das PW für meinen Acc ist auf einem anderen Rechner gespeichert, deswegen die AW als "Gast"

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Fr 28. Aug 2015, 15:23
von Xell
KleeblattF hat geschrieben:@Xell, ich schätze dich als offensichtlich gebildeten gewandten und versierten Diskussions- und Gesprächspartner, ich finde mitunter aber, dass du (wohl auch genervt, weil du dich wahrscheinlich gefühlt ständig nur verteidigen und rechtfertigen musst) dich immer zum besserwissenden Rechthaber entwickelst, dessen einzigrichtige Position niemand erkennen kann oder will.
Danke für die offene und ehrliche Kritik. Es stimmt, mein Ton ist in letzter Zeit rauher geworden. Grund dafür ist nicht ein Gefühl, sich ständig rechtfertigen zu müssen, sondern ein Gefühl, ignoriert bzw. überhört zu werden. In meinen Augen gestaltet sich die Diskussion - überspitzt und wenn wir Mal das Beispiel Ticketpreise nehmen - so:

Teilnehmer X: Wenn wir 50%+1 fallen lassen, steigen die Ticketpreise, daher will ich 50%+1 behalten
Ich: [Ellenlanger Beitrag, in dem ich darlege, warum es keinen Zusammenhang zwischen 50%+1 und Ticketpreisen gibt und danach frage, wie man dazu kommt.
Teilnehmer Y: Geht in keinster Weise auf meine Argumente ein und bringt auch keinen eigenen, sondern schreibt einfach: Wenn wir 50%+1 fallen lassen, steigen die Ticketpreise, daher will ich 50%+1 behalten
Teilnehmer X schreibt: Ja, ich sehe das auch wie Y
Ich: [Noch ein ellenlanger Beitrag, in dem ich nachfrage, wie man auf diese Idee kommt und um Begründung bitte]
Teilnehmer Z: Geht nicht auf meine Frage ein und schreibt: Wenn wir 50%+1 fallen lassen, steigen die Ticketpreise, daher will ich 50%+1 behalten

Sorry, aber bei sowas raucht mir igrendwann halt der Kopf, weil ich das Gefühl habe in Georg Orwells 1984 mit seiner selektiven Wahrnehmung der Realität und dem "Doppeldenk" festzustecken. Will heißen: alles, was nicht in mein Weltbild passt, nehme ich halt einfach überhaupt nicht wahr. Daher auch Großbuchstaben, Ausrufungszeichen und eventuell derbere Wortwahl um durch diesen Wahrnehmungsschleier zu dringen.

Bei dir persönlich möchte ich mich entschuldigen, wenn ich da den Falschen erwischt habe, aber der Artikel den du verlinkt hast, war in meinen Augen nun einmal extrem in seiner Position und hat die gleichen unreflektierten Anschuldigungen wiederholt, nach deren Begründung ich hier wiederholt gefragt habe, und zwar ohne sie zu begründen.

Ich gebe dir dennoch recht, dass man sich da wohl nicht provozieren und besser zurückhalten sollte.
KleeblattF hat geschrieben: Lies bitte meinen Post nocheinmal durch. Mein Ziel war es a) eine andere Sichtweise zu Wort kommen zu lassen (und habe hierzu einen Artikel verlinkt, den ich für lesenswert halte, aber nicht als unumstößliche Wahrheit verkauft habe) und b) habe ich klar meine persönliche Position dargestellt, dass es mir wichtiger ist in die Kurve für einen vernünftigen Preis gehen zu können, als dass Bayern oder sonsteiner den maximalen Erfolg hat. Du magst diese Position nicht teilen, aber meine Gewichtung fällt nunmal so aus.
Grundsätzlich kann ich deine Position nachvollziehen und auch verstehen, aber mir sind eben andere Argumente wichtiger (und da mag ich auch verblendet, naiv, tradionalistisch oder sonstwas sein, das ist mir egal, ich geh ja auch zum Zweitligafußball).
Das mag gut und gerne deine Position sein und die respektiere ich, aber häufig wird diese Position als moralisch überlegen oder die einzig wahre Position dargestellt, die modelle der PL oder PD als gentrifiziert, Kommerz, Plastik, menschenhändlerisch, verrucht, kriminell, unmoralisch, dem Untergang geweiht oder mit anderen Modeschimpfwörtern belegt. Und genau dagegen verwehre ich mich.
KleeblattF hat geschrieben: Um nun zur Diskussion zurückzukommen. Ich kenne mich nicht bei allen Bundesligisten aus zwecks Dauerkartensituation, du hast sicherlich zum Einen grundsätzlich recht, dass Vereine wie die SGE, Köln oder Schalke relativ viel für ihre billigsten Tickets verlangen und ihre Fans mehr zahlen lassen als andere und vielleicht auch zu viel. ABER Hoffenheim, Leverkusen oder Wolfsburg hätten auf der anderen Seite wohl Probleme ihre Kurven vollzukriegen mit deutlich höheren Preisen. Ob das ganze jetzt ein Lockangebot ist und später die Preise steigen, wenn sie höhere Zuschauerzahlen/mehr Fanrückhalt haben, das weiß ich nicht. Fakt ist, es wäre kontraproduktiv sie jetzt zu hoch anzusetzen. Leider weiß ich auch nicht, wie einfach es ist eine der günstigen Dauerkarten (Hertha, Leverkusen...) zu bekommen, aber bei Bayern beispielsweise ist es quasi unmöglich, weil sie in keinen freien Verkauf gehen.
Um auf dein Beispiel mit der Familie zurückzukommen, mir geht es um die Kurve, da sind in der Regel keine Familien (egal ob das nun gut oder schlecht ist) und es sind in der Regel Fans, die das ganze nicht als Event sehen und für ein einmaliges/einjährliches Vergnügen viel Geld zahlen wollen.
Abgesehen davon geht die Kausalkette nicht Investorenklubs --> höhere Ticketpreise. Sondern: immer Wachstum geht auf Dauer nicht ohne auch die Ticketpreise deutlich zu erhöhen. Indirekt wirken da durchaus Investorenklubs mit, die Millionen in den Markt pumpen, die zuvor nicht im Fußballgeschäft verdient worden, aber im Idealfall danach dort wieder erwirtschaftet werden sollen. Und dann müssen eben Preise für Tickets, aber auch Merchandising, Werbung und TV nach oben gehen.
Preise steigen immer, allein aufgrund der 2-4% Inflation, die wir jährlich haben - das summiert sich mit der Zeit. Ob Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim ihre Stadions nicht mehr gefüllt bekommen, wenn sie die Preise anheben? Vielleicht. Wahrscheinlich machen sie das genau aus diesem Grund nicht. Und ganz sicher ist das bei allen anderen Bundesligisten genauso. Jeder Bundesligist nimmt den maximalen Preis, den er bekommen kann, bevor die Gesamtrechnung aufgrund von Zuschauerschwund negativ werden würde. Zu glauben, dass nicht-Investorenclubs das anders handhaben würden, als Investoren-Clubs, ist eben meiner Meinung nach eine negative Vermutung bzw. Unterstellung, für die es eben anhand der gegebenen Praxisbeispiele keine Grundlage gibt. Und wieder einmal zeigt sich eben für mich, dass hier aufgrund von Vermutungen und entgegen der faktischen Beobachtungen argumentiert wird. Das ist für mich eben Georg Orwell und sein "Doppeldenk". Sorry, aber so empfinde ich es.
KleeblattF hat geschrieben: Um das Ganze bezüglich Investoren abzurunden. Auch wenn du wohl den Eindruck hast, ich gehöre zum erbitterten Gegnerlager, stimmt das nur bedingt. Ich sehe trotz all deiner Positivbeispiele Investoren skeptisch und habe mit Malaga oder Anzhi oder ManUtd (worüber wir unterschiedlicher Meinung sind, ob die Glazers nun "gut" sind oder nicht) auch schon Negativbeispiele genannt. Nichtsdestotrotz finde ich die jetztige Situation nicht gut, vor allem, weil die 50+1 durch Hoffenheim, aber auch RB (und auf andere Weise mit den Ausnahmen VW und Bayer) faktisch lächerlich ist. Deswegen fände ich eine wohldurchdachte Neuregelung gut und sinnvoll, würde im Kern aber nicht England oder Italien als Vorbild haben wollen, sondern einen anderen deutschen Weg bevorzugen. Und eine Neuregelung sollte kommen, denn spätestens wenn RB in der 1. Liga ist, sollte jeder erkennen, dass 50+1 in der Realität anders ist als in der Theorie.
Das sehe ich ja auch so. Keiner sagt, wir kopieren die Engländer, ich sage aber: lasst uns 50%+1 fallen lassen und unser eigenes Mehrheitseignermodell erlauben.

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Fr 28. Aug 2015, 20:19
von kleinerfisch
Wenn die Ticketpreise niedrig sind, können sowohl Geringverdiener als auch Gutverdiener sie sich leisten.
Wenn die Ticketpreise hoch sind, können nur Gutverdiener sie sich nicht leisten.

Es geht also nicht darum, dass die eine oder die andere Gruppe die "besseren" oder "wünschenswerteren" Fans sind, sondern dass hohe Ticketpreise eine Gruppe schlicht ausschließen.

Das kann Dir egal sein, lieber Xell, aber dann sag das auch so. Schierer Egoismus (so nenn ich das) ist ja zunehmend mehrheitsfähig.
Und werfe bitte nicht anderen vor, sie würden "gute" und "schlechte" Fans unterscheiden, wenn Du selber
Und ja - ich will Gentrifizierung. Ich will, dass die vierköpfige Familie mit dem Vater, der Bankangestellter ist, der Mutter, die Web-Designer ist und den beiden Kindern, die zur Schule gehen, ins Stadion geht und sich dort Pommes und Eis kauft. Ich finde nicht, dass das schlechter ist, als wenn 4 alkoholisierte junge Männer ohne höhere Bildung literweise Bier saufen und dazu unflätiges Zeug grölen.
schreibst. Denn Du willst Gentrifizierung und findest, dass die Familie die "besseren" Fans sind.
Du machst also genau die Unterscheidung, die Du anderen vorwirfst.


Was Deine Argumente zum Zusammenhang Ticketpreise/Mehrheitseigener angeht, finde ich sie unzureichend.
Ein Vergleich aus der Bundesliga bringt da überhaupt keinen Mehrwert, weil es in der BL keine renditeorientierten Investoren gibt, die eben wegen 50+1 nicht erlaubt sind bzw. abgeschreckt werden.
Sowohl Bayer/VW mit ihrem Marketingansatz also auch Hopp mit seinem "der Region etwas zurückgeben" Ansatz würden sich ja ins Knie schießen, wenn sie in den Geruch kämen, breite Kreise bisheriger Fans über die Preise rauszukegeln.
Die Angst vor den hohen Preisen ist aber die Angst vor den renditeorientierten Investoren (also die, die langfristig mehr Geld aus dem Verein rausholen als reinbuttern, um den Begriff nochmal klarzustellen).

Erstklassiger Fußball ist in dem meisten Städten ein Monopol eines Klubs, bestenfalls ein Oligopol weniger Klubs. Die Theorie der Preisbildung bei Monopolen zeigt, dass der Gleichgewichtspreis (der sich zwischen Angebot und Nachfrage bildet) bei Monopolen über dem bei Wettbewerb liegt (Stichwort Monopolrente), weil der Monolpolist allein den für ihn gewinnmaximierenden Preis festlegen kann. Im Wettbewerb sind dagegen beide Seiten an der Preisbildung beteiligt.
Der gewinnmaximierende Preis im Monopol ist übrigens in der Regel auch nicht der, bei dem die höchsten Mengen verkauft werden, anders als im Wettbewerb. Monopole sind daher nicht nur ungünstig für die Konsumenten (die eben mehr bezahlen müssen), sondern auch für die Gesellschaft als ganzes (die schlechter mit dem Monopolgut versorgt wird).
Das sind übrigens von keiner Ausrichtung bestrittene volkswirtschaftliche Erkenntnisse. Selbst die Amis haben in ihrem wohl kapitalistischsten Kapitalismus aus gutem Grund Antimonopolgesetze.

Übertragen auf den Fußball heißt das, der gewinnorientierte Investor strebt nicht unbedingt ausverkaufte Stadien an, sondern höchstmöglichen Umsatz. Ein klassischer Vereinsvorstand muß in dieser Frage ganz anders lavieren, da er einerseits den Umsatz braucht, um konkurrrenzfähigen Fußball zeigen zu können, und andererseits die Mehrheit der Fanstimmen zur Wiederwahl braucht. Ob er die von den beschriebenen Mittelklassefamilien bekommt?

Es ist mir unverständlich, wie ein offensichtlich streng kapitalistisch, wenn nicht gar neoliberal argumentierender Xell die Grundlagen des Kapitalismus so wenig zu kennen scheint.

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Fr 28. Aug 2015, 20:35
von kleinerfisch
Noch ein Wort zu den Überlegungen 50+1 abzuschaffen und durch ein Modell zu ersetzen, dass die unerwünschten Geldgeber ausschließt.

Das wäre ein Investitionshindernis, dass in der EU jedenfalls für EU-Bürger und-Firmen illegal wäre, die sich an einem Verein beteiligen wollen (Prinzip des freien Kapitalflusses in der EU). Mit wichtigen Nicht-EU-Ländern gibt es auch entsprechende Verträge.

Dass der Fußball nicht über dem Gesetz steht, wie mancher seiner Vertreter glaubt, sieht man am Bosman-Urteil, an der abgeschafften Regel bzgl. Mindestanzahl nationaler Spieler oder der Abschaffung von Stehplätzen in England.
Die neueste Entwicklung in diesem Bereich sind die Klagen gegen Financial Fair Play, die in unteren Instanzen schon zu Erfolgen geführt und die UEFA schon zur teilweisen Aufhebung veranlasst haben (Geldstrafen gegen ManCity und PSG wurden aufgehoben).

M.a.W. entweder öffnet sich die BL allen Geldgebern oder keinem. Alles andere geht an der Realität vorbei.

Das gleiche gilt übrigens für die Salary Cap nach amerikanischem Vorbild und auch die dortigen Investitionshemnisse (alle Eigner einer Liga müssen einem Eigentumswechsel eines Klubs zustimmen), für die es spezielle Gesetze in den USA gibt. In Europa bräuchten wir dafür aber spezielle Gesetze in 50+ Ländern.

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Fr 28. Aug 2015, 21:59
von Xell
kleinerfisch hat geschrieben:Wenn die Ticketpreise niedrig sind, können sowohl Geringverdiener als auch Gutverdiener sie sich leisten.
Wenn die Ticketpreise hoch sind, können nur Gutverdiener sie sich nicht leisten.

Es geht also nicht darum, dass die eine oder die andere Gruppe die "besseren" oder "wünschenswerteren" Fans sind, sondern dass hohe Ticketpreise eine Gruppe schlicht ausschließen.
1) Nach der gleichen Logik könnte man argumentieren, dass Porsche ein böser Autobauer ist, weil seine Autos nur von wenigen gekauft werden können, während VW ein lieber Autobauer ist, denn dessen Autos können von vielen gekauft werden. Es gibt aber kein Gesetz, das Porsche verbietet, teure Autos herzustellen. Also fragt man sich, warum es ein solches im Fußball geben sollte.
Es ist auch nicht so, dass Menschen mit weniger Geld sich kein Auto mehr leisten können - sie können eben zu VW, Opel, Volvo und schätzungsweise 2 Dutzend anderen Herstellern greifen. Genauso ist es beim Fußball, auch da gibt es überall teure Tickets und günstige Tickets.

2) Die Ticketpreise in England sind eventuell höher, aber sie sind nicht höher, als Ticketpreise für Musik-Konzerte (heutzutage gut und gerne 50-100 EUR), oder für Besuche im Kino (mit Cola und Popcorn kommt man heutzutage schnell auf 30 EUR) oder im Theater (30-70 EUR, je nachdem). All das wird von der Gesellschaft akzeptiert, aber ein Fußballspiel darf nicht so viel kosten? Wieso diese Sonderbehandlung?

3) Ich denke, dass sich viele Leute diese Ticketpreise auch weiterhin leisten können würden. Es gibt nicht unendlich viele besser verdienende auf dieser Welt. Wenn die Stadien in England weiterhin voll sind, dann sitzen da im Old Trafford ganz sicher keine 70.000 Vorstandsvorsitzende von multinationalen Konzernen auf den Rängen und auch keine 70.000 Investmentbänker. Das heißt, der durchschnittliche Londoner kann sich diese Preise leisten, also wird hier gar keine Gruppe als solche ausgeschlossen, wie immer behauptet. Sonst gäbe es nämlich die Ultras und ihre Gesänge und Choreos in den Stadien nicht. Und wer jetzt sagt, die Stimmung in den Stadien in Ehgland sei öde, sollte sich die Stimmung bei ManU, Arsenal oder Liverpool genau ansehen und bedenken, dass man der Gewalt in den Stadien erst Herr werden konnte, als man dort Alkohol komplett verboten hat. Es ist also keineswegs ein überaltertes Opernpublikum, dass da die Stadien füllt.

4) Hier beziehe ich mich explizit auf diesen Teil deiner Aussage:
kleinerfisch hat geschrieben:Es geht also nicht darum, dass die eine oder die andere Gruppe die "besseren" oder "wünschenswerteren" Fans sind, sondern dass hohe Ticketpreise eine Gruppe schlicht ausschließen.
Wenn man so argumentieren will, dann halte ich dagegen, dass niedrige Ticketpreise auch eine Gruppe ausschließen. Um in meinem Beispiel zu bleiben, ich als Familienvater hätte berechtigte Angst, meine Frau und meine kleinen Kinder in einen Pulk betrunkener und gewaltbereiter junger Männer zu führen. Ich könnte mir die Tickets leisten, und doch würde dieses Publikum meinen Besuch aus dem Stadion ausschließen. Es ist also nicht so, dass bei niedrigen Ticketpreisen die Schläger von Nebenan und die junge Familie zusammen im Block steht - nein, die junge Familie traut sich einfach nicht rein.
Ich finde auch nicht, dass sich nur Akademiker ins Stadion begeben sollten, natürlich nicht, aber wenn wir schon darüber reden, dass hohe Ticketpreise eine soziale Gruppe begünstigen und eine andere benachteiligen würden, müssen wir auch sehen, dass auch derzeit eine Benachteiligung einer sozialen Gruppe in vielen Stadien vorliegt.
kleinerfisch hat geschrieben:Das kann Dir egal sein, lieber Xell, aber dann sag das auch so. Schierer Egoismus (so nenn ich das) ist ja zunehmend mehrheitsfähig.
Und werfe bitte nicht anderen vor, sie würden "gute" und "schlechte" Fans unterscheiden, wenn Du selber
Und ja - ich will Gentrifizierung. Ich will, dass die vierköpfige Familie mit dem Vater, der Bankangestellter ist, der Mutter, die Web-Designer ist und den beiden Kindern, die zur Schule gehen, ins Stadion geht und sich dort Pommes und Eis kauft. Ich finde nicht, dass das schlechter ist, als wenn 4 alkoholisierte junge Männer ohne höhere Bildung literweise Bier saufen und dazu unflätiges Zeug grölen.
schreibst. Denn Du willst Gentrifizierung und findest, dass die Familie die "besseren" Fans sind.
Du machst also genau die Unterscheidung, die Du anderen vorwirfst.
Was "schierer Egoismus" damit zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht wirklich. Will ich, dass meine Kinder keine Angst haben müssen, ins Stadion zu gehen? Sicher. Bin ich bereit, dafür mehr zu bezahlen? Ja. Ist das egoistisch? Jedenfalls nicht egoistischer, als zu sagen: "Da ich persönlich möglichst wenig Geld für meine Stadionbesuche ausgeben möchte und will, dass alles im Stadion so bleibt, wie ich mich dran gewöhnt habe, soll es Gesetze geben, die jede mögliche Veränderung im Keim ersticken, egal ob es anderen Menschen passt oder nicht." Genau das ist nämlich die Aussage der 50%+1-Befürworter - natürlich in überspitzter Form, um sie plastischer zu machen.

kleinerfisch hat geschrieben:Was Deine Argumente zum Zusammenhang Ticketpreise/Mehrheitseigener angeht, finde ich sie unzureichend.
Ein Vergleich aus der Bundesliga bringt da überhaupt keinen Mehrwert, weil es in der BL keine renditeorientierten Investoren gibt, die eben wegen 50+1 nicht erlaubt sind bzw. abgeschreckt werden.
Sowohl Bayer/VW mit ihrem Marketingansatz also auch Hopp mit seinem "der Region etwas zurückgeben" Ansatz würden sich ja ins Knie schießen, wenn sie in den Geruch kämen, breite Kreise bisheriger Fans über die Preise rauszukegeln.
Die Angst vor den hohen Preisen ist aber die Angst vor den renditeorientierten Investoren (also die, die langfristig mehr Geld aus dem Verein rausholen als reinbuttern, um den Begriff nochmal klarzustellen).
Es ist nun einmal so, dass aktuell die große Mehrheit der Investorenvereine in der europäischen Spitze in der Hand von Mehrheitseignern sind, die eben nicht auf Gewinnerzielung aus sind, sondern sich aus Image- bzw. Hobby-Gründen engagieren. Ich habe das hier schon mehrmals geschrieben, aber meinetwegen - schreibe es halt noch einmal: Chelsea, ManCity, PSG haben allesamt deutlich mehr Geld von ihren Eignern erhalten und verpulvern dürfen, als sie je wieder erwirtschaften können werden. Hinter diesen Investments steht kein wirtschaftliches Kalkül. Arsenal hat jahrelang ebenfalls viel Investorengeld ausgegeben. Dass sie es jetzt nicht tun, liegt nicht am Geiz der Besitzer, sondern an der Politik von Arsene Wenger. Die Investoren haben mehrmals bekräftigt, dass sie bereit wären, Geld für Verstärkungen in die Hand zu nehmen. Der einzige echte Spitzenclub, dessen Eigner gewinnorientiert sind, ist Manchester United. Dem stehen in der Spitze 4 Spitzenclubs, bei denen das nicht der Fall ist. Die vier Investorenclubs in der deutschen Liga (1 und 2) sind allesamt nicht gewinnorientiert.
Worauf fußt also die Annahme, dass bei einem Fall der 50%+1-Regel entgegen der bisherigen Erfahrungen im In- und Ausland ausschließlich oder mehrheitlich gewinnorientierte Investoren in die Liga strömen würden?
kleinerfisch hat geschrieben:Erstklassiger Fußball ist in dem meisten Städten ein Monopol eines Klubs, bestenfalls ein Oligopol weniger Klubs. Die Theorie der Preisbildung bei Monopolen zeigt, dass der Gleichgewichtspreis (der sich zwischen Angebot und Nachfrage bildet) bei Monopolen über dem bei Wettbewerb liegt (Stichwort Monopolrente), weil der Monolpolist allein den für ihn gewinnmaximierenden Preis festlegen kann. Im Wettbewerb sind dagegen beide Seiten an der Preisbildung beteiligt.
Der gewinnmaximierende Preis im Monopol ist übrigens in der Regel auch nicht der, bei dem die höchsten Mengen verkauft werden, anders als im Wettbewerb. Monopole sind daher nicht nur ungünstig für die Konsumenten (die eben mehr bezahlen müssen), sondern auch für die Gesellschaft als ganzes (die schlechter mit dem Monopolgut versorgt wird).
Das sind übrigens von keiner Ausrichtung bestrittene volkswirtschaftliche Erkenntnisse. Selbst die Amis haben in ihrem wohl kapitalistischsten Kapitalismus aus gutem Grund Antimonopolgesetze.
Erstklassigen Fußball - je nachdem, wie man den Begriff definiert - gibt es in Deutschland nur noch in München und mit Abstrichen in Dortmund. Das heißt, dieses Produkt ist inzwischen aufgrund der geltenden Gesetze in Deutschland nahezu ausgestorben. Daher sollte man sich eventuell überlegen, ob man das Produkt nicht vielleicht doch retten möchte.
Das Monopol-Schema passt hier meiner Meinung nach nur bedingt, denn es gibt genug Alternativen, auf die der Konsument ausweichen kann:
1) Er kann die Spiele im TV, beim Public- Viewing und in der Kneipe verfolgen
2) Er kann 2. und 3.Liga-Clubs im Stadion besuchen
3) Er kann auf eine andere Sportart (Eishockey, Basketball, Tennis, Formel 1) ausweichen.

Daher denke ich nicht, dass die Clubs hier in einer Monopolstellung sind.
kleinerfisch hat geschrieben:Übertragen auf den Fußball heißt das, der gewinnorientierte Investor strebt nicht unbedingt ausverkaufte Stadien an, sondern höchstmöglichen Umsatz. Ein klassischer Vereinsvorstand muß in dieser Frage ganz anders lavieren, da er einerseits den Umsatz braucht, um konkurrrenzfähigen Fußball zeigen zu können, und andererseits die Mehrheit der Fanstimmen zur Wiederwahl braucht. Ob er die von den beschriebenen Mittelklassefamilien bekommt?

Es ist mir unverständlich, wie ein offensichtlich streng kapitalistisch, wenn nicht gar neoliberal argumentierender Xell die Grundlagen des Kapitalismus so wenig zu kennen scheint.
Nein - er wird diese Mehrheit vn den beschriebenen Mittelklasse-Familien nicht bekommen. Und warum nicht? Weil sich Familienväter um die Familie kümmern müssen und keine Zeit haben, sich um Präsidiumswahlen bei einem Fußball-Club zu kümmern, wie eventuell alleinstehende Mittzwanziger mit einem Halbtagsjob. Wir haben eben ein System, in dem eine kleine Minderheit die Möglichkeit hat, ihre eigenen egoistischen Vorstellungen der Vereinsspitze aufzuzwingen und dadurch eine schweigende Mehrheit auszuschließen bzw. deren Interessen zu untergraben. Warum dieser Zustand erstrebenswert ist und unbedingt erhalten werden soll, erschließt sich mir nicht.

Zu den gewinnorientierten Investoren habe ich ja oben schon etwas geschrieben. Das ist eine geringe Minderheit unter den Investoren, in der Spitze kann man eigentlich nur ManU in diesem Zusammenhang uneingeschränkt nennen. Und das Old Trafford leidet nun wirklich nicht unter Besuchermangel. Manchester United ist trotz der Erfolge von Barca, Real und Bayern immer noch der beliebteste Club weltweit. Also auch diese Angst - Zuschauer- und Fanschwund durch gewinnorientierten Investor - besteht den Realitätstest nicht.

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Fr 28. Aug 2015, 22:06
von Xell
kleinerfisch hat geschrieben:Noch ein Wort zu den Überlegungen 50+1 abzuschaffen und durch ein Modell zu ersetzen, dass die unerwünschten Geldgeber ausschließt.

Das wäre ein Investitionshindernis, dass in der EU jedenfalls für EU-Bürger und-Firmen illegal wäre, die sich an einem Verein beteiligen wollen (Prinzip des freien Kapitalflusses in der EU). Mit wichtigen Nicht-EU-Ländern gibt es auch entsprechende Verträge.

Dass der Fußball nicht über dem Gesetz steht, wie mancher seiner Vertreter glaubt, sieht man am Bosman-Urteil, an der abgeschafften Regel bzgl. Mindestanzahl nationaler Spieler oder der Abschaffung von Stehplätzen in England.
Die neueste Entwicklung in diesem Bereich sind die Klagen gegen Financial Fair Play, die in unteren Instanzen schon zu Erfolgen geführt und die UEFA schon zur teilweisen Aufhebung veranlasst haben (Geldstrafen gegen ManCity und PSG wurden aufgehoben).

M.a.W. entweder öffnet sich die BL allen Geldgebern oder keinem. Alles andere geht an der Realität vorbei.

Das gleiche gilt übrigens für die Salary Cap nach amerikanischem Vorbild und auch die dortigen Investitionshemnisse (alle Eigner einer Liga müssen einem Eigentumswechsel eines Klubs zustimmen), für die es spezielle Gesetze in den USA gibt. In Europa bräuchten wir dafür aber spezielle Gesetze in 50+ Ländern.
So gesehen wäre die 50%+1-Regel an sich schon EU-Recht-widrig. Wenn diese existieren kann, dann können auch andere, differenziertere Regelungen existieren. Es erschließt sich mir nicht, warum jede andere mögliche Regelung unbedingt gegen EU-Recht verstoßen sollte, während die 50%+1-Regelung EU-Recht konform ist.

Aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich keinen Schimmer von kapitalistischen Grundlagen haben, wie du ja oben festgestellt hast. Da haben auch das fünfjährige BWL-Studium, das 1er-Diplom und 8 Jahre Berufserfahrung nichts gebracht - ein hoffnungsloser Fall halt. ;)

PS: Ich wusste übrigens nicht, dass die EU inzwischen nicht mehr 28, sondern 50+ Mitglieder hat. Wer wurde denn kürzlich alles aufgenommen und warum war darüber nichts in den Nachrichten? ;)

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Fr 28. Aug 2015, 23:46
von Macaroli
Kleeblatt hat geschrieben:Aber wenn ich mir mein Kurventicket nicht mehr leisten kann/will oder gar keines mehr kriege (wie bei Bayern), dann will ich das nicht.
Stimme ich Dir zu, will ich auch nicht. Ich komme aber nicht drum herum zu erwähnen, dass dies bereits teilweise so ist. Also zumindest bei Bayern. Die Preise an sich sind beim Verein noch human. Kein Vergleich mit der englischen Liga. Aber will ich mit einer Vorlaufplanung, von vielleicht 3-4 Monaten ein Spiel sehen, dann gibts nur noch Zweitverwerter, weil über den Verein bekomme ich definitiv keine Karten. Dann zahl ich auch englische Preise. Hat mit Investments gar nichts zu tun, sondern weil die Nachfrage so hoch ist. Trifft mich persönlich auch nicht so hart, weil ich so weit weg von München wohne, dass ein Besuch eher ein Ereignis alle paar Jahre mal geht. Ist aber sehr hart für die Zuschauer, die am liebsten jedes Heimspiel sehen wollen. Das ist denke ich eine Entwicklung, die der Profisport generell mit sich bringt, nicht der Einstieg von Investoren.

Und natürlich gibt es Unterschiede. In der Tabelle von Xell mit den Ticketpreisen muss man natürlich auch sehen, dass Paderborn ein Stadion für 15.000 Zuschauer hatte und dieses soweit ich gelesen habe nahezu jedes Mal ausverkauft war. Paderborn hatte eh das kleineste Budget. Ich denke, dass war auch ein Stück weit Notwendigkeit, dies über die Preise auszugleichen. Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim sind gelinde gesagt, nicht die Zuschauermagnete schlechthin. Ich denke, der Besuch ist ordentlich, aber würden diese nun einfach die Preise erhöhen, dann hätten sie vermutlich im Durchschnitt eine wesentlich schlechtere Auslastung als jetzt. Womit ich aber auch noch einmal betonen will: Investoren machen keine höheren Ticketpreise nur weil sie Investoren sind. Steigt allerdings die Nachfrage so stark an, dass man bei den Tickets nachlegen kann, dann wird dies in der Regel passieren.
Gurkentruppe hat geschrieben:Wobei das letztlich nur eine Verlagerung der Problematik darstellt. Denn durch höhere Eintrittspreise verschwinden die alkoholisierten Fans ja nicht von der Bildfläche. Sie sind dann halt nur nicht mehr im Stadion.
Das ist jetzt eine Problematik, die bekommen wir alleine über die Eintrittspreise nicht hin. Lass ich die Preise wie sie sind, oder würde ich diese gar senken, sind die alkoholisierten Fans ja dennoch da. Da kann es sogar, wie Xell schon sagt, ein Vorteil sein, wenn wir nicht hundertschaften davon im oder vor dem Stadion haben, sondern verteilt.

Aber das führt für mich dann doch ein bißchen weit, weil hier gesellschaftliche und soziale Probleme zusammentreffen, die auf einer viel tieferen Ebene besprochen werden müssten, als im Zusammenhang mit Fußballeintrittspreisen oder Investments bei Vereinen oder nicht. Und wir müssen denke ich auch ein wenig davon abkommen, alles zu wollen. Was wiederum nicht heißt, dass man alles ignorieren soll, aber auf manches hat man als Verein Einfluss, auf vieles mehr (leider) nicht.
KleeblattF hat geschrieben:Abgesehen davon geht die Kausalkette nicht Investorenklubs --> höhere Ticketpreise. Sondern: immer Wachstum geht auf Dauer nicht ohne auch die Ticketpreise deutlich zu erhöhen. Indirekt wirken da durchaus Investorenklubs mit, die Millionen in den Markt pumpen, die zuvor nicht im Fußballgeschäft verdient worden, aber im Idealfall danach dort wieder erwirtschaftet werden sollen. Und dann müssen eben Preise für Tickets, aber auch Merchandising, Werbung und TV nach oben gehen.
So oder so ähnlich kann man das ausdrücken. Indirekt kann es natürlich in der Tat sein, dass ein Investment, nehmen wir mal an deshalb kommen ein, zwei internationale Stars zu einem Team, jedes Jahr, die Nachfrage an Karten in die Höhe treibt. Das dann der Verein darauf reagiert, würde ich nicht ausschließen.
KleeblattF hat geschrieben:Nichtsdestotrotz finde ich die jetztige Situation nicht gut, vor allem, weil die 50+1 durch Hoffenheim, aber auch RB (und auf andere Weise mit den Ausnahmen VW und Bayer) faktisch lächerlich ist.
Das trifft ja meine Meinung. Ich würde jetzt Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim und Leipzig nicht über einen Kamm scheren wollen. Jeder steht da für sich alleine und bevor Hopp (dieses Jahr) auch formal die Stimmmehrheit halten durfte, war Hoffenheim formal unter der 50+1 - Regel anzusiedeln. Aber trotz alle dem schreibe ich ja, dass Investoren auch in Deutschland durchaus erfolgreich sind. Nur gelten für einige Klubs andere Regeln, als für Andere. Und, ich mag diese Unterteilung nicht, Traditionsklubs haben es schwerer, weil sie dürfen, sofern sich nicht ein Investor im Rahmen der zwanzigjährigen Frist findet, die 50+1 nicht umgehen. Ungleicher Wettbewerb nennt das ein Kritikverweis bei Wikipedia.

Es ist auch in meinen Augen gut zu sagen, wir wollen keine 1:1 - Kopie von England oder Italien oder sonst wem sein. Aber ich glaube es ist auch deswegen gut, jetzt über eine Änderung von 50+1 zu reden, weil die Bundesliga gerade keine schwache Position hat. Land des Weltmeisters, Platz 2 in der 5JW, etc. In anderen Ländern kamen Investoren oft auch gerade dann, wenn die Position der Vereine schwach war. Valencia wurde gerade übernommen, naja, die haben natürlich zu allem Ja und Amen gesagt, die hatten ja auch nichts mehr. Der AC Parma hätte alles unterschrieben um einen Investor zu bekommen, der ihnen die Klasse rettet, aber diese Schulden wollte keiner übernehmen. So muss das ja auch nicht sein. Und Regeln über Jugendförderung, das Bundesliga-Lizenzierungsverfahren, etc. muss ja deswegen nicht verändert werden.

Wenn ich einen Bundesligaverein als Monopol sehe, wenngleich ich das auch ein wenig anzweifeln möchte, weil die meisten Bundesligisten überregionale Zugkraft haben, dann ist das hier interessant:
kleinerfisch hat geschrieben:Der gewinnmaximierende Preis im Monopol ist übrigens in der Regel auch nicht der, bei dem die höchsten Mengen verkauft werden, anders als im Wettbewerb. Monopole sind daher nicht nur ungünstig für die Konsumenten (die eben mehr bezahlen müssen), sondern auch für die Gesellschaft als ganzes (die schlechter mit dem Monopolgut versorgt wird).
Die Ausführung ist richtig. Ein Monopolist hat kein Interesse an einer größt möglichen Versorgung. Aber unsere Vereine in NRW stehen beispielsweise in der Tat teilweise nur Kilometerweit auseinander. Hier ist für mich keine Monopolsituation. Es gibt also hier einen Wettbewerb. Aber nehmen wir mal an, wir hätten nur einen Verein, bei dem das zutreffen würde (ich sehe keinen), dann könnte der Monopolist natürlich auch nicht beliebig an der Preisschraube drehen. Er würde sicherlich nach der Preisbestimmung für Monoplisten vorgehen. Diese würde nicht für einen maximalen Erlös stehen (so viele Zuschauer wie möglich ins Stadion) sondern für den maximalen Gewinn (so viel Geld wie geht einnehmen ^^). Es kommt natürlich auch immer auf das Gut an, welches man vertreibt, aber das Gewinnmaximum sollte vielleicht 10-20% unter dem Erlösmaximum sein. D. h. (ist aber gerade alles spekulativ) wenn man bei entsprechend hohen Preisen den größten Gewinn erzielt, wird man noch 80-90% der zu erwartenden Fans ins Stadion bekommen. Völlig pragmatisch betrachtet. Damit ist nichts über soziolgische Zusammensetzungen der Zuschauer gesagt etc.

Was ein Monopolist nicht kann, oder zumindest aus wirtschaftlich vernünftiger Sicht nicht tun sollte, ist völlig willkürlich Mondpreise festzulegen, weil sonst nützt ihm auch sein Monopol nichts.
kleinerfisch hat geschrieben:Übertragen auf den Fußball heißt das, der gewinnorientierte Investor strebt nicht unbedingt ausverkaufte Stadien an, sondern höchstmöglichen Umsatz.
Nein, er strebt nicht den höchsten Umsatz an, sondern den höchsten Gewinn! Wenn er denn gewinnorientiert ist. Aber davon gehen wir ja aus.
kleinerfisch hat geschrieben:Ein klassischer Vereinsvorstand muß in dieser Frage ganz anders lavieren, da er einerseits den Umsatz braucht, um konkurrrenzfähigen Fußball zeigen zu können, und andererseits die Mehrheit der Fanstimmen zur Wiederwahl braucht. Ob er die von den beschriebenen Mittelklassefamilien bekommt?
Wenn mit Umsatz gemeint ist, dass er ein vernünftiges Betriebsergebnis braucht, dann ja. Ich will nur sagen: Umsatz alleine ist nur bedingt eine Aussage, es sagt vielleicht etwas darüber, wie groß oder klein ein Unternehmen oder Verein ist, aber Umsatz ist keine Größe für Gewinn oder Reichtum. Ich kann den weltgrößten Umsatz haben und Pleite sein. Zu dem anderen Punkt, kann man fragen, ob ein Vereinsvorstand wiedergewählt wird, wenn er nicht den Mittelstand im Stadion hat aber absteigt. Wird er dann wiedergewählt? Ich denke, hier wird es dann sehr spekulativ.
kleinerfisch hat geschrieben:Noch ein Wort zu den Überlegungen 50+1 abzuschaffen und durch ein Modell zu ersetzen, dass die unerwünschten Geldgeber ausschließt.

Das wäre ein Investitionshindernis, dass in der EU jedenfalls für EU-Bürger und-Firmen illegal wäre, die sich an einem Verein beteiligen wollen (Prinzip des freien Kapitalflusses in der EU). Mit wichtigen Nicht-EU-Ländern gibt es auch entsprechende Verträge.
Da hast Du Recht! Und was macht 50+1 in seiner jetzigen Form? Ich habe das auch aus Wikipedia, aber hier gibt es kritische Stimmen, welche in 50+1 einen Verstoß gegen EU-Recht sehen. Wie man einzelne Personen ausschließen soll wäre mir auch nicht klar, ohne rechtlich auf dünnen Eis zu wandeln. Womöglich geht nur ganz oder gar nicht.

Re: Finanzierung von Erfolg

Verfasst: Sa 29. Aug 2015, 00:43
von Klaus
Wenn wir die Ticketpreise fallen lassen, steigt der Prozentsatz der 50%+1 Regel, dann wird es für Investoren, die den Fußball gefährden noch schwerer, daher will ich, daß wir die Ticketpreise abschaffen.