Auch im Ausland weckt der Fußball in Ostdeutschland weiter Interesse. Ich fasse hier mal einen langen
Artikel aus Le Monde über Fußball in Leipzig zusammen, für einen internationalen Blickwinkel auf den Fußball im Osten. Es gab gibt noch zahlreiche weitere Artikel, allerdings in Fußball-Zeitungen. Dass mit Le Monde die größte Tageszeitung des Landes einen 18-Seiten-Artikel über Fußball in Leipzig veröffentlicht, zeigt aber dass man sich in Frankreich durchaus dafür interessiert was im Osten des östlichen Nachbarn vorgeht
Auch wenn man kein Französisch versteht, die Fotos sind auch sehenswert.
Zuerst wird die lange Fußballgeschichte Leipzigs zusammengefasst, mit dem VfB als erstem deutschen Meister, der starken Rolle der Stadt in der DDR-Oberliga mit Lok und Chemie, und dem Dahinvegetieren in den Amateurligen in den letzten 20 Jahren.
Dann stellt der Artikel beispielhaft 3 sehr unterschiedliche Leipziger Vereine vor: RB, Lok und Roter Stern. Nur Chemie / Leipzig Leutzsch wird leider nicht weiter erläutert.
Zuerst geht es um RB.
- Die Reporter berichten von RB-Heimspiel, mit 25 000 Zuschauern im Schnitt, ein Zuschauerschnitt der „so manchen Erstligisten in Frankreich vor Neid erblassen lässt“. Ebenso wird der Boykott von Auswärtsspielen bei RB durch die Fans anderer Zweitligisten erwähnt
- Dann wird die Geschichte von RBL aufgerollt. Vom Kauf der Lizenz des SSV Markranstädt, über den Namensstreit mit dem DFB (Red Bull vs. RasenBallsport Leipzig), bis zu den 3 Aufstiegen und dem nun angepeilten Aufstieg in die Bundesliga, wo seit 2009 (Cottbus) kein Ost-Verein mehr spielt.
- Darauffolgend geht es im Detail um die 50+1 Regel, und die nur 14 Mitglieder des Vereins, die Probleme die RB dadurch mit DFB und Lizensierung hatte, und die Boykott-Slogans, die RB von Fans anderer Vereine entgegenschlagen. Auch mit anderen Retortenklubs (in dem Fall Ingolstadt) wird verglichen, und die Argumente von RB (Rangnick) sowie der Gegenseite (Ingolstadt-Fans) vorgebracht.
- Anschließend wird die Lage des Fußballs im Osten allgemein erläutert: Dass seit Cottbus 2009 kein Ost-Verein mehr in der BL spielt, dass es mit dem VfB Leipzig, Rostock und Dresden gerade mal 3 andere Ost-Vereine in die Bundesliga geschafft haben. Dass es in Ostdeutschland keine großen Unternehmen gibt, die den Fußball unterstützen könnten, wie es im Westen der Fall ist (die Beispiele Bayern/Allianz, Wolfsburg/VW und Ingolstadt/Audi werden genannt). Und dass daher der Ost-Fußball auf externe Investoren angewiesen ist, auch wenn diese wie Red Bull nicht lokal verankert sind.
- Auch das Publikum bei RB wird unter die Lupe genommen (Familien, Gelegenheitsfans), für die das Klima bei den ostdeutschen Traditionsklubs zu explosiv ist. Ein „neuer Typ Fan“ wird definiert, RB-Fans werden interviewt, sowie Leipzigs Bürgermeister, für den RB „ein Glücksfall für die Stadt Leipzig“ ist. Auch der Bau von Trainingszentrum und Nachwuchsakademie wird erwähnt, sowie ein möglicher Ausbau der Stadiums auf bis zu 70 000 Plätze falls sich der Verein in der Bundesliga etabliert.
Dann geht es um Lok Leipzig, mit dem Untertitel „Traditionsfußball mit unsicherer Zukunft“.
- Zuerst eine kurze geschichtliche Zusammenfassung: Lok als einer der größten Vereine der DDR, das Finale im Europapokal der Pokalsieger 1987, wo Lok auch im Halbfinale Bordeaux ausschaltete, eine der stärksten Mannschaften Frankreichs damals, sowie erster dt. Meister 1903 als VfB.
- Dann geht’s in Bruno-Plache-Stadion, wo bei einem Lok-Heimspiel Fans interviewt werden. Einige mit totaler Ablehnung gegenüber RB, andere haben nichts gegen RB, hoffen aber dass Lok dadurch nicht die Sponsoren ausgehen. Der Präsident von Lok betont, wie Lok eine Übernahme durch RB sowie eine Kooperation mit dem neuen Rivalen abgelehnt hat. Sagt auch, dass RB der Stadt wirtschaftlich gut tut, bedauert aber dass das Geld nicht besser verteilt wird.
- Anschließend geht’s um Lok‘s finanzielle Situation (Insolvenz 1999 und 2003, beinahe-Insolvenz vor 2 Jahren, Neustart in der 11. Liga 2014, Spende durch die Fans, die dem Verein das Überleben rettete). Der Niedergang nach der Wende wird analysiert: Mangelnde Unterstützung durch die Stadt (erwähnt von Henning-Funzel, Lok-Star in den 60ern und 70ern), sowie Verlust der besten Spieler an West-Vereine (am Beispiel des aktuellen Trainers Heiko Scholz, der damals als Lok-Spieler nach Leverkusen wechselte).
- Dann wird’s politisch. Es werden radikale und rechtsextreme Fangruppen erwähnt, und wie die Klub-Führung gegen diese vorgeht (am Beispiel der Fangruppe „Scenario“, die inzwischen aufgelöst ist). Auch die Ultras der Fangruppe 1966 werden erwähnt, die politisch gar nicht rechts sondern links seien. Die Fanbasis wird nochmal analysiert (diverser als erwartet), und deren Treue angesprochen (gerade mal 10% der Fans sind zu RB gewechselt).
Als letztes beschäftigt sich der Artikel mit Roter Stern Leipzig, ein „originelles, 1999 von jungen Antifaschisten gestartetes Projekt, das zeigt wie sich in Leipzig alles Facetten und Gegensätze der beliebtesten Sportart der Welt beobachten lassen“.
Connewitz wird besucht, „ein als alternativ bekanntes Viertel im Süden Leipzigs“. Genauso wie bei Lok werden Fans und Verantwortliche interviewt, wo genauso wie bei Lok eine starke Ablehnung gegenüber RB herrscht. Die Wurzeln von Roter Stern werden analysiert (gegründet von Chemie-Leipzig-Fans), und die engen Beziehungen die man weiterhin zu Ultras von Chemie hat. Roter Stern ist anscheinend der Verein in Leipzig mit den meisten lizensierten Fußballern, „ein Erfolg der beweist dass es in Leipzig neben Business-Fußball (RB) und Traditionsfußball (Lok) noch einen dritten Weg gibt“.
Auch wenn ich mir für den Artikel einen 4. Teil (über Chemie) gewünscht hätte, fand ich es doch bemerkenswert dass eine große ausländische Tageszeitung einen so langen Artikel über Fußball in Leipzig schreibt.