Internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Fußballs
Verfasst: Di 10. Jul 2018, 23:22
Noch ist die WM nicht ganz zu Ende, da fanden auch bereits die ersten Quali-Spiele im Europapokal statt. Ich fühle mich da so zwischen der alten und bereits der neuen Saison. Nicht nur, weil die WM so enttäuschend für Deutschland endete, aber auch deshalb finde ich die Frage nach der internationalen Konkurrenzfähigkeit des deutschen Fußballs zu spannend. Mit Konkurrenzfähigkeit meine ich hiermit die Aussichten, welche der deutsche Fußball in den Vergleichen mit anderen Ländern hat. Bzw. es beschreibt für mich die Fähigkeiten, sich im Wettbewerb zu behaupten und zu verorten. Natürlich wird in absehbarer Zeit diese Konkurrenzfähigkeit nicht verloren gehen. In irgendeiner Weise kann sich ja jedes Land irgendwie verorten. Hier ist aber die Frage wo? Sind England und Spanien auf lange Sicht unerreichbar? Können wir mit Italien noch mithalten. Drohen uns Frankreich und nachfolgende Nationen den 4ten Platz in der 5-JW streitig zu machen?
Natürlich interessiert uns hier der Europapokalfußball im Forum am Meisten. Dennoch würde ich hier aber gerne die Nationalmannschaft mit einbeziehen. Ich hatte überlegt, ob das Thema auch gut in einen anderen Thread passt, aber auch wenn es wie immer Überschneidungspunkte gibt, so passte das nicht so richtig irgendwo rein.
Zur Einführung habe ich mir bei ein paar Punkten so meine Gedanken gemacht. Ich habe versucht, dies ein wenig zu strukturieren, könnte man sicher auch anders zusammenfassen. Aber los geht’s erstmal:
1. Letzte Europapokal-Saison
Nicht mal 10 Punkte holten die deutschen Vereins-Vertreter. England holte mehr als doppelt so viel Punkte, wie die Bundesliga. Hatte man Ende 2017 noch knapp 3,5 Punkte mehr als England, so wurde dieser Vorsprung pulverisiert und zu einem mehr als 8-Punkte-Rückstand. Auch Spanien, in der 5-JW sowieso weit enteilt, hat knapp doppelt so viele Punkte geholt. Selbst Italien hängt Deutschland klar ab und das obwohl die Bundesliga hier mit Neapel und Bergamo gleich zwei direkte Duelle für sich entscheiden konnte.
Die Probleme lagen aber nicht einmal mal in den Duellen mit den großen Namen. So ärgerlich auch das Bayern-Aus gegen Real war. Dies war immerhin das CL-Halbfinale. Die Namen, die den Bundesligisten richtig Probleme machten: Domžale, Braga, Ludogorez Rasgrad, Istanbul Başakşehir, Östersunds FK, Sorja Luhansk und auch Nikosia und Salzburg.
Macht dann punktetechnisch Augenhöhe mit Portugal und Österreich. Sicher nicht die Ansprüche, die man sonst haben sollte. Man könnte sagen, das waren zum Teil sehr blamable Ergebnisse, die es von den anderen Top 4 – Nationen so lange nicht gegeben hat.
Exemplarischer Tiefpunkt, der 2. Spieltag der letzten Europapokalsaison. Hier gab es für alle 6 Bundesligavertreter (Freiburg war ja schon ausgeschieden) nur Niederlagen. 6 Spiele und 0 Punkte. Auch etwas, was vermutlich noch keine einziger Top 4 Nationen jemals erlebt hat. Ein Negativ-Rekord der besonderen Art!
2. Nationalelf bei der WM
Historische Tiefpunkt auch hier. Ein Aus in der ersten Runde gab es zuletzt 1938, als noch keine Gruppenrunden gespielt wurde. 1950 war man als Kriegsfolge noch nicht dabei. Von 1954 aber gab es nie so eine schwache WM-Ausbeute wie 2018.
Und ähnlich wie im Europacup kam es erst gar nicht zu einem Duell mit den Großen. Deutschland verlor gegen Mexiko, zitterte sich zum Sieg gegen Schweden und bekam dann den Todesstoß von Südkorea (!). Und die Koreaner sagen von sich selbst, dass sie aktuell eine schwächere Mannschaft haben (so jedenfalls im Kicker).
Das wäre doch schon mal eine Ausgansbasis, bei der die Redakteure einer großen deutschen Zeitung mit 4 Buchstaben, die Krise ausrufen müssten. Aber wahrscheinlich haben die das eh schon gemacht. ^^
3. Bilanz in der 5-Jahreswertung
Das letzte Jahr war schwach, aber zum Glück besteht die 5-JW nicht nur aus einer Saison. Seit 2007/08 haben die Bundesligaklubs Punkte geholt, die einem Spitzenplatz in der Wertung rechtfertigen. Ohne dass reihenweise Titel geholt wurden. 2010 und 2013 bedeutete dies sogar den besten Wert von allen Nationen in der 1-JW. Hatten zuletzt die richtig guten Ausreißer nach oben gefehlt, so waren die Werte solide bei 14 oder 15 Punkten Plus. Auch Werte, mit der man relativ sicher in den Top 4 ist. Somit stellt der letztjährige Wert einen krassen, aber doch zunächst mal einzigen, Ausreißer nach unten dar.
4. Letzte Jahre der Nationalelf
2004 war mit der EM ein Turnier, das mit dem Gruppenaus richtig schlecht lief. Ab da gab es dann nur noch mind. Halbfinals, eben bis jetzt. Den Höhepunkt mit dem Weltmeistertitel kennen wir. Ebenso noch im letzten Jahr der Sieg im Confed Cup und, aktuell noch, der 1. Platz in der Weltrangliste.
Nicht zu vergessen gute Ergebnisse auch bei Olympia 2016 mit der Silbermedaille. Das war zwar nicht die A-Elf, aber spricht auch nicht gerade gegen den deutschen Fußball.
Soweit die Bilanz, aber woran hing es nun seit Mitte 2017 (also dem Zeitpunkt, als alles noch tutti war)? Im Moment wirkt es so, als gäbe es seit Beginn der Saison 2017/18 einen Break, bei dem die Bundesliga wie auch die Nationalelf mind. Eine Klasse schlechter geworden sind.
5. Finanzkraft
Natürlich gab es wieder Diskussionen über die Finanzkraft der Bundesliga. Mit England kann man bei weitem nicht mithalten. Aber, das können auch Spanien und Italien nicht. Eigentlich ist die Bundesliga, wenn man Umsätze, TV-Einnahmen und Verbindlichkeiten (also im Sinne von wenig Schulden ^^) betrachtet, mittlerweile sogar vor den beiden Südeuropäern. Von einer gar schlechten oder desolaten Ausgangssituation kann man da eigentlich nicht sprechen.
Dennoch fällt etwas auf. Die großen Transfers gehen nicht in die Bundesliga. Sie gehen natürlich nach England! Okay, das ist klar. Sie gehen aber dann in zweiter und auch dritter Linie nicht nach Deutschland. Die dicken Transfers gehen viel eher nach Spanien oder auch nach Italien. Und natürlich auch Frankreichs investorenunterstützte Spitzengruppe hängt die deutschen Vereine da deutlich ab.
Ich frage mich in dem Zusammenhang, was von der wirtschaftlichen Gesundheit bringen die deutschen Vereine "auf den Platz". Sprich, was wird wie verwendet. Wenn ein Bundesligist ein Stadion oder ein Nachwuchsleistungszentrum baut, dann ist das durchaus nachvollziehbar, warum man nicht in gleichem Maße auf dem Transfermarkt zuschlägt.
Juventus Turin beispielsweise ist der Musterverein Italiens *das war nun nicht ironisch gemeint*. Stadion gebaut - sportlich erfolgreich, aber in der bekannten Deloitte Football Money League weit hinter Bayern München, die umsatztechnisch mehr als 180 Mio. im Jahr verarbeiten als die Italiener. Aus aktuellem Anlaß kann man aber mal erwähnen, dass Ronaldo nun für 105 Mio. von Madrid nach Turin wechselt. Spekuliert werden hier über 30 Mio. € Jahresgehalt (Netto versteht sich). Das ist dann in etwa so viel wie bei Bayern die beiden Spitzenverdiener zusammen, wenn meine Quelle hier stimmt.
Unabhängig davon wie sinnvoll man dieses Geld für einen 33 Jährigen findet (immerhin aber akuteller Weltfussballer), so gab es vor 2 Jahren bereits den Transfer von Gonzalo Higuaín, immerhin auch für 90 Mio. €. Bayerns Rekordzugang umfasste nicht mal die Hälfte.
Und bemühe ich noch einmal das Deloitte-Ranking, dann stelle ich fest, dass selbst Borussia Dortmund gar nicht so meilenweit hinter Juventus liegt, was die Umsätze angeht. Natürlich sind Umsätze alleine keine Aussage über gesunde Finanzen oder nicht, aber es zeigt, sie spielen da in etwa in einer Liga. Zudem hat der BvB eine prall gefüllt Kasse durch die Transfers von Dembélé und Aubameyang. Also, wenn die Zahlen stimmen hätte Dortmund Ronaldo wohl auch gut stemmen können. Ich möchte jetzt nicht auf einen einzigen Transfer herum reiten, aber könnte man sich auch nur annähernd vorstellen, dass so ein Transfer auch nur annähernd im Bereich des Realen gewesen wäre? Vermutlich nicht.
Ich will das aber auch noch nicht bewerten. Im Vergleich der Transfersalden (also sprich, welche Liga investiert am meisten, im Verhältnis zu ihren Erlösen) fällt auf, dass Deutschland, Italien und Spanien gar nicht so weit auseinander lagen. Es war eher noch die spanische Liga, die in den letzten 6 Jahren (das Transferjahr 2017/18 lass ich mal noch außer acht) tatsächlich 4 mal einen Transferüberschuß erzielt hat - Deutschland nur ein einziges mal - Italien nie.
In Zahlen ausgedrückt (diese habe ich von transfermarkt.de - ich habe die Ligen nach ihren Transfersalden sortiert) hat es mich sogar richtig überrascht. England habe ich mal außer acht gelassen. Von den Verfolgern investiert Deutschland aber mit großen Abstand am meisten. Von 12/13 bis 16/17 mit einer negativen Transferbilanz von zusammengerechnet fast 500 Mio. €. Fast doppelt so viel wie Italien (kann 254 Mio. €). Spanien ist ein Land, das fast mit einer ausgeglichenen Transferbilanz (in 6 Jahren nur etwas mehr als 14 Mio. €) bestehen kann.
Ich hätte ja nicht gedacht, dass dies so deutliche Zahlen sind. Aber wenn man wie hier im Forum öfter mal angeklungen die Netto-Investitionen als "Gas geben" bezeichnet, dann steht England auf dem Gaspedal und Deutschland rast mit einem Porsche hinterher, während der italienische Fiat, ... nunja sich auch irgendwie bewegt. Und Spanien... haben die eigentlich noch eine Automobilindustrie?
Abseits von all den Metaphern haben wir aber bemerkt, dass dies wohl auch nicht Erfolg garantiert. Bzw. in diese Richtung zu Denken ist möglicherweise ein Holzweg.
Aber wenn wir die letzte Europapokalsaison anschauen, dann stelle ich fest, dass es eh keine Frage des Geldes war. Das waren zum Teil Vereine, die selbst der SC Freiburg aus der Portokasse finanzieren könnte. In Ergebnissen ausgedrückt schien der finanzielle Vorteil, den es hier massiv gab, aber kein sportlicher Vorteil zu sein.
Wir hatten schon oft hier im Forum über die finanziellen Möglichkeiten geschrieben, darum will ich das nicht weiter ausführen. Trotz der Erfolge (finanziell) Klein gegen (finanziell) Groß, wie es bei vielen Bundesligagegnern war, kann man aber nicht bestreiten, dass eine starke Finanzkraft durchaus auf längere Sicht auch den sportlichen Erfolg anheben kann. Nicht als Automatismus, getreu dem Motto „viel hilft viel“, aber wenn Finanzkraft mit sportlichem Sachverstand zusammen kommt, dann entsteht durchaus etwas Sinnvolles.
Ich glaube, dass die Bundesliga hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten mehr heraus holen müsste.
6. Taktik
„England spielt nur Kick and Rush“ – „Spanier sind spielerisch gut, können aber nicht kämpfen“. Das sind alles „Weisheiten“ aus lang zurückliegenden Zeiten. Kann zwar sein, dass in England vor 2-3 Jahren noch nicht immer den taktisch höchsten Genuss an Spielkultur bieten lies, aber sie haben sich das Know-How mittlerweile eingekauft. Mit Guardiola, Mourinho, Klopp, Conte und auch Wenger (bis vergangene Saison, dessen Gesamtwerk ebenfalls respektabel ist) hat/te die PL eine Ansammlung der renommiertesten Trainer im europäischem Fußball. Es sind aber auch Vertreter sehr unterschiedlicher, teils sehr gegensätzlicher Spielsysteme.
In der Bundesliga dominierten in dieser Saison, wenn man Bayern München mal als Ausnahme sieht, welche die Regel bestätigt, Mannschaften, die eher aus einer sicheren Abwehr heraus ohne spielerische Dominanz ihre Chancen gesucht haben. Da machten auch Vereine wie Vizemeister Schalke keine Ausnahme.
Hier höre ich immer wieder, dass der deutsche Vereinsfußball sich verschlechtert hat. Im Rasenfunk-Podcast sagte sie, dass erstmals seit vielen Jahren die Mannschaften mit mehr Ballbesitz, weniger Punkte holten, als Mannschaften, mit weniger Ballbesitz. Das ist natürlich nur ein einzelner Aspekt, aber ist ein Hinweis darauf, dass mehr das Spiel zerstören praktiziert wird, als das Spiel zu machen. Hätte ich noch vor der Saison anders eingeschätzt.
Dies hat aber Auswirkungen auf die Europacupspiele. Mag man als Mittelklasse-Bundesligaklub gegen Bayern, Dortmund und Hoffenheim so agieren können, aber wenn man dann gegen unterklassige Europacupgegner aufläuft, die Null Interesse haben, das Spiel zu machen, dann kann man zwar 70 – 80% Ballbesitz bekommen, aber hat trotzdem kein Konzept um eine massive Abwehr zu durchbrechen. Das sehe ich aktuell als die wahrscheinlich defizitärste Baustelle.
In der letzten Saison taten natürlich die startenden Klubs ihr übriges dazu. Der SC Freiburg, der schon vor der Saison eher von einer Europacupbelastung sprach und den Klassenerhalt als oberstes Ziel ausgab. Ein 1. FC Köln, der eine Hinrunde völlig von der Rolle spielte. Eine Hertha, die ebenfalls nicht gerade zu den spielerischen Größen gehörte. Hoffenheim, fiel da eigentlich aus der Reihe, weil sie sind tatsächlich eher ein Team der spielerischen Lösungen, aber leider auf absoluten Neuland. RaBa Leipzig fiel als Neuling positiv auf und zwar mit spielerischen Lösungen. Auch sie mussten sich erst akklimatisieren, aber vertraten die Bundesliga neben Bayern als einzige Mannschaft würdig. Dass dann auch noch der BvB neben sich stand und eigentlich gar nicht die CL hätte überleben dürfen, hat das schlechte Bild zu einem sehr schlechten Bild gemacht.
Hier sehe ich für die neue Saison positiver, wenngleich aber nicht ohne Skepsis. Bayern muss regelmäßig gegen destruktive Teams spielen und weiß in der Regel, wie man die aushebelt. Und sie bekommen es auch hin, gegen offensive Mannschaften. Bei Schalke geht es aber bereits los. Als diese in der vergangenen Saison etwas mehr die spielerischen Lösungen suchten, hat das nicht so richtig funktioniert. Schalke sowie Trainer Tedesco können da nun nichts dazu, weil es niemanden gab, der es sonst geschafft hat, auf Patz 2 zu kommen. Aber der Vizemeister, wie auch alles was dahinter kommt, hat sich in der vergangenen Saison nicht als international sehr hoffnungsvoll hervorgetan. Dazu kommt für Schalke, dass sie nun wieder neu mit der Mehrfachbelastung auskommen müssen. Hier muss ich auf eine Steigerung hoffen, weil die Leistungen der vergangenen Spielzeit in der Bundesliga, waren okay, aber die Vizemeisterschaft gab es, weil sich alle anderen Mannschaften in einem breiten Mittelfeld neutralisiert haben. Ich will gar nicht davon reden, dass Schalke mit Barca, Real oder ManCity konkurrieren könnte. Es wäre aber nett, wenn sie gegen Nikosia & Co. spielerisch überlegen wären und dazu noch punkten. Gilt aber für alle anderen auch.
7. Jugendförderung
Es wurde nach dem dramatischen Nachwuchsmangel Ende der 90er Jahre einiges getan. Durch eine gut Förderung bis in unser heutiges Jahrzehnt hinein, wurde nicht zuletzt der Grundstock für die WM 2014 gelegt. Aber seitdem ist einiges stagniert und andere Nationen, allen voran England haben nicht nur aufgeholt, sondern sind vorbei gezogen. Es ist zwar nicht alles so dramatisch wie es dieser welt.de - Artikel beschreibt. Aber bei der Errungenschaft, auf die man im deutschen Fußball doch eigentlich sehr stolz sein konnte, hat man ein paar Jahre zuwenig nach vorne gebracht. Vielleicht zu einseitig gefördert. Erfolge feiert vor allem der englische Nachwuchs. Aber starke Spieler kommen auch jedes Jahr aus Spanien und Frankreich hervor. Einzig Italien hat hier noch deutlicher Nachholbedarf.
Im Nachwuchsbereich liegt sicher nicht alles brach. Aber es scheint, als wenn andere Nationen schneller auf neue Anforderungen reagieren, als dies im deutschen Fußball der Fall ist. Der deutsche Nachwuchs bzw. die Förderung dafür muss wieder nachlegen, sonst stehen in der Liga, wie auch in der Nationalelf triste Jahre an.
Gut, das mal meine Eindrücke, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Aber vielleicht kann das ja als Dikussionsgrundlage dienen.
Natürlich interessiert uns hier der Europapokalfußball im Forum am Meisten. Dennoch würde ich hier aber gerne die Nationalmannschaft mit einbeziehen. Ich hatte überlegt, ob das Thema auch gut in einen anderen Thread passt, aber auch wenn es wie immer Überschneidungspunkte gibt, so passte das nicht so richtig irgendwo rein.
Zur Einführung habe ich mir bei ein paar Punkten so meine Gedanken gemacht. Ich habe versucht, dies ein wenig zu strukturieren, könnte man sicher auch anders zusammenfassen. Aber los geht’s erstmal:
1. Letzte Europapokal-Saison
Nicht mal 10 Punkte holten die deutschen Vereins-Vertreter. England holte mehr als doppelt so viel Punkte, wie die Bundesliga. Hatte man Ende 2017 noch knapp 3,5 Punkte mehr als England, so wurde dieser Vorsprung pulverisiert und zu einem mehr als 8-Punkte-Rückstand. Auch Spanien, in der 5-JW sowieso weit enteilt, hat knapp doppelt so viele Punkte geholt. Selbst Italien hängt Deutschland klar ab und das obwohl die Bundesliga hier mit Neapel und Bergamo gleich zwei direkte Duelle für sich entscheiden konnte.
Die Probleme lagen aber nicht einmal mal in den Duellen mit den großen Namen. So ärgerlich auch das Bayern-Aus gegen Real war. Dies war immerhin das CL-Halbfinale. Die Namen, die den Bundesligisten richtig Probleme machten: Domžale, Braga, Ludogorez Rasgrad, Istanbul Başakşehir, Östersunds FK, Sorja Luhansk und auch Nikosia und Salzburg.
Macht dann punktetechnisch Augenhöhe mit Portugal und Österreich. Sicher nicht die Ansprüche, die man sonst haben sollte. Man könnte sagen, das waren zum Teil sehr blamable Ergebnisse, die es von den anderen Top 4 – Nationen so lange nicht gegeben hat.
Exemplarischer Tiefpunkt, der 2. Spieltag der letzten Europapokalsaison. Hier gab es für alle 6 Bundesligavertreter (Freiburg war ja schon ausgeschieden) nur Niederlagen. 6 Spiele und 0 Punkte. Auch etwas, was vermutlich noch keine einziger Top 4 Nationen jemals erlebt hat. Ein Negativ-Rekord der besonderen Art!
2. Nationalelf bei der WM
Historische Tiefpunkt auch hier. Ein Aus in der ersten Runde gab es zuletzt 1938, als noch keine Gruppenrunden gespielt wurde. 1950 war man als Kriegsfolge noch nicht dabei. Von 1954 aber gab es nie so eine schwache WM-Ausbeute wie 2018.
Und ähnlich wie im Europacup kam es erst gar nicht zu einem Duell mit den Großen. Deutschland verlor gegen Mexiko, zitterte sich zum Sieg gegen Schweden und bekam dann den Todesstoß von Südkorea (!). Und die Koreaner sagen von sich selbst, dass sie aktuell eine schwächere Mannschaft haben (so jedenfalls im Kicker).
Das wäre doch schon mal eine Ausgansbasis, bei der die Redakteure einer großen deutschen Zeitung mit 4 Buchstaben, die Krise ausrufen müssten. Aber wahrscheinlich haben die das eh schon gemacht. ^^
3. Bilanz in der 5-Jahreswertung
Das letzte Jahr war schwach, aber zum Glück besteht die 5-JW nicht nur aus einer Saison. Seit 2007/08 haben die Bundesligaklubs Punkte geholt, die einem Spitzenplatz in der Wertung rechtfertigen. Ohne dass reihenweise Titel geholt wurden. 2010 und 2013 bedeutete dies sogar den besten Wert von allen Nationen in der 1-JW. Hatten zuletzt die richtig guten Ausreißer nach oben gefehlt, so waren die Werte solide bei 14 oder 15 Punkten Plus. Auch Werte, mit der man relativ sicher in den Top 4 ist. Somit stellt der letztjährige Wert einen krassen, aber doch zunächst mal einzigen, Ausreißer nach unten dar.
4. Letzte Jahre der Nationalelf
2004 war mit der EM ein Turnier, das mit dem Gruppenaus richtig schlecht lief. Ab da gab es dann nur noch mind. Halbfinals, eben bis jetzt. Den Höhepunkt mit dem Weltmeistertitel kennen wir. Ebenso noch im letzten Jahr der Sieg im Confed Cup und, aktuell noch, der 1. Platz in der Weltrangliste.
Nicht zu vergessen gute Ergebnisse auch bei Olympia 2016 mit der Silbermedaille. Das war zwar nicht die A-Elf, aber spricht auch nicht gerade gegen den deutschen Fußball.
Soweit die Bilanz, aber woran hing es nun seit Mitte 2017 (also dem Zeitpunkt, als alles noch tutti war)? Im Moment wirkt es so, als gäbe es seit Beginn der Saison 2017/18 einen Break, bei dem die Bundesliga wie auch die Nationalelf mind. Eine Klasse schlechter geworden sind.
5. Finanzkraft
Natürlich gab es wieder Diskussionen über die Finanzkraft der Bundesliga. Mit England kann man bei weitem nicht mithalten. Aber, das können auch Spanien und Italien nicht. Eigentlich ist die Bundesliga, wenn man Umsätze, TV-Einnahmen und Verbindlichkeiten (also im Sinne von wenig Schulden ^^) betrachtet, mittlerweile sogar vor den beiden Südeuropäern. Von einer gar schlechten oder desolaten Ausgangssituation kann man da eigentlich nicht sprechen.
Dennoch fällt etwas auf. Die großen Transfers gehen nicht in die Bundesliga. Sie gehen natürlich nach England! Okay, das ist klar. Sie gehen aber dann in zweiter und auch dritter Linie nicht nach Deutschland. Die dicken Transfers gehen viel eher nach Spanien oder auch nach Italien. Und natürlich auch Frankreichs investorenunterstützte Spitzengruppe hängt die deutschen Vereine da deutlich ab.
Ich frage mich in dem Zusammenhang, was von der wirtschaftlichen Gesundheit bringen die deutschen Vereine "auf den Platz". Sprich, was wird wie verwendet. Wenn ein Bundesligist ein Stadion oder ein Nachwuchsleistungszentrum baut, dann ist das durchaus nachvollziehbar, warum man nicht in gleichem Maße auf dem Transfermarkt zuschlägt.
Juventus Turin beispielsweise ist der Musterverein Italiens *das war nun nicht ironisch gemeint*. Stadion gebaut - sportlich erfolgreich, aber in der bekannten Deloitte Football Money League weit hinter Bayern München, die umsatztechnisch mehr als 180 Mio. im Jahr verarbeiten als die Italiener. Aus aktuellem Anlaß kann man aber mal erwähnen, dass Ronaldo nun für 105 Mio. von Madrid nach Turin wechselt. Spekuliert werden hier über 30 Mio. € Jahresgehalt (Netto versteht sich). Das ist dann in etwa so viel wie bei Bayern die beiden Spitzenverdiener zusammen, wenn meine Quelle hier stimmt.
Unabhängig davon wie sinnvoll man dieses Geld für einen 33 Jährigen findet (immerhin aber akuteller Weltfussballer), so gab es vor 2 Jahren bereits den Transfer von Gonzalo Higuaín, immerhin auch für 90 Mio. €. Bayerns Rekordzugang umfasste nicht mal die Hälfte.
Und bemühe ich noch einmal das Deloitte-Ranking, dann stelle ich fest, dass selbst Borussia Dortmund gar nicht so meilenweit hinter Juventus liegt, was die Umsätze angeht. Natürlich sind Umsätze alleine keine Aussage über gesunde Finanzen oder nicht, aber es zeigt, sie spielen da in etwa in einer Liga. Zudem hat der BvB eine prall gefüllt Kasse durch die Transfers von Dembélé und Aubameyang. Also, wenn die Zahlen stimmen hätte Dortmund Ronaldo wohl auch gut stemmen können. Ich möchte jetzt nicht auf einen einzigen Transfer herum reiten, aber könnte man sich auch nur annähernd vorstellen, dass so ein Transfer auch nur annähernd im Bereich des Realen gewesen wäre? Vermutlich nicht.
Ich will das aber auch noch nicht bewerten. Im Vergleich der Transfersalden (also sprich, welche Liga investiert am meisten, im Verhältnis zu ihren Erlösen) fällt auf, dass Deutschland, Italien und Spanien gar nicht so weit auseinander lagen. Es war eher noch die spanische Liga, die in den letzten 6 Jahren (das Transferjahr 2017/18 lass ich mal noch außer acht) tatsächlich 4 mal einen Transferüberschuß erzielt hat - Deutschland nur ein einziges mal - Italien nie.
In Zahlen ausgedrückt (diese habe ich von transfermarkt.de - ich habe die Ligen nach ihren Transfersalden sortiert) hat es mich sogar richtig überrascht. England habe ich mal außer acht gelassen. Von den Verfolgern investiert Deutschland aber mit großen Abstand am meisten. Von 12/13 bis 16/17 mit einer negativen Transferbilanz von zusammengerechnet fast 500 Mio. €. Fast doppelt so viel wie Italien (kann 254 Mio. €). Spanien ist ein Land, das fast mit einer ausgeglichenen Transferbilanz (in 6 Jahren nur etwas mehr als 14 Mio. €) bestehen kann.
Ich hätte ja nicht gedacht, dass dies so deutliche Zahlen sind. Aber wenn man wie hier im Forum öfter mal angeklungen die Netto-Investitionen als "Gas geben" bezeichnet, dann steht England auf dem Gaspedal und Deutschland rast mit einem Porsche hinterher, während der italienische Fiat, ... nunja sich auch irgendwie bewegt. Und Spanien... haben die eigentlich noch eine Automobilindustrie?
Abseits von all den Metaphern haben wir aber bemerkt, dass dies wohl auch nicht Erfolg garantiert. Bzw. in diese Richtung zu Denken ist möglicherweise ein Holzweg.
Aber wenn wir die letzte Europapokalsaison anschauen, dann stelle ich fest, dass es eh keine Frage des Geldes war. Das waren zum Teil Vereine, die selbst der SC Freiburg aus der Portokasse finanzieren könnte. In Ergebnissen ausgedrückt schien der finanzielle Vorteil, den es hier massiv gab, aber kein sportlicher Vorteil zu sein.
Wir hatten schon oft hier im Forum über die finanziellen Möglichkeiten geschrieben, darum will ich das nicht weiter ausführen. Trotz der Erfolge (finanziell) Klein gegen (finanziell) Groß, wie es bei vielen Bundesligagegnern war, kann man aber nicht bestreiten, dass eine starke Finanzkraft durchaus auf längere Sicht auch den sportlichen Erfolg anheben kann. Nicht als Automatismus, getreu dem Motto „viel hilft viel“, aber wenn Finanzkraft mit sportlichem Sachverstand zusammen kommt, dann entsteht durchaus etwas Sinnvolles.
Ich glaube, dass die Bundesliga hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten mehr heraus holen müsste.
6. Taktik
„England spielt nur Kick and Rush“ – „Spanier sind spielerisch gut, können aber nicht kämpfen“. Das sind alles „Weisheiten“ aus lang zurückliegenden Zeiten. Kann zwar sein, dass in England vor 2-3 Jahren noch nicht immer den taktisch höchsten Genuss an Spielkultur bieten lies, aber sie haben sich das Know-How mittlerweile eingekauft. Mit Guardiola, Mourinho, Klopp, Conte und auch Wenger (bis vergangene Saison, dessen Gesamtwerk ebenfalls respektabel ist) hat/te die PL eine Ansammlung der renommiertesten Trainer im europäischem Fußball. Es sind aber auch Vertreter sehr unterschiedlicher, teils sehr gegensätzlicher Spielsysteme.
In der Bundesliga dominierten in dieser Saison, wenn man Bayern München mal als Ausnahme sieht, welche die Regel bestätigt, Mannschaften, die eher aus einer sicheren Abwehr heraus ohne spielerische Dominanz ihre Chancen gesucht haben. Da machten auch Vereine wie Vizemeister Schalke keine Ausnahme.
Hier höre ich immer wieder, dass der deutsche Vereinsfußball sich verschlechtert hat. Im Rasenfunk-Podcast sagte sie, dass erstmals seit vielen Jahren die Mannschaften mit mehr Ballbesitz, weniger Punkte holten, als Mannschaften, mit weniger Ballbesitz. Das ist natürlich nur ein einzelner Aspekt, aber ist ein Hinweis darauf, dass mehr das Spiel zerstören praktiziert wird, als das Spiel zu machen. Hätte ich noch vor der Saison anders eingeschätzt.
Dies hat aber Auswirkungen auf die Europacupspiele. Mag man als Mittelklasse-Bundesligaklub gegen Bayern, Dortmund und Hoffenheim so agieren können, aber wenn man dann gegen unterklassige Europacupgegner aufläuft, die Null Interesse haben, das Spiel zu machen, dann kann man zwar 70 – 80% Ballbesitz bekommen, aber hat trotzdem kein Konzept um eine massive Abwehr zu durchbrechen. Das sehe ich aktuell als die wahrscheinlich defizitärste Baustelle.
In der letzten Saison taten natürlich die startenden Klubs ihr übriges dazu. Der SC Freiburg, der schon vor der Saison eher von einer Europacupbelastung sprach und den Klassenerhalt als oberstes Ziel ausgab. Ein 1. FC Köln, der eine Hinrunde völlig von der Rolle spielte. Eine Hertha, die ebenfalls nicht gerade zu den spielerischen Größen gehörte. Hoffenheim, fiel da eigentlich aus der Reihe, weil sie sind tatsächlich eher ein Team der spielerischen Lösungen, aber leider auf absoluten Neuland. RaBa Leipzig fiel als Neuling positiv auf und zwar mit spielerischen Lösungen. Auch sie mussten sich erst akklimatisieren, aber vertraten die Bundesliga neben Bayern als einzige Mannschaft würdig. Dass dann auch noch der BvB neben sich stand und eigentlich gar nicht die CL hätte überleben dürfen, hat das schlechte Bild zu einem sehr schlechten Bild gemacht.
Hier sehe ich für die neue Saison positiver, wenngleich aber nicht ohne Skepsis. Bayern muss regelmäßig gegen destruktive Teams spielen und weiß in der Regel, wie man die aushebelt. Und sie bekommen es auch hin, gegen offensive Mannschaften. Bei Schalke geht es aber bereits los. Als diese in der vergangenen Saison etwas mehr die spielerischen Lösungen suchten, hat das nicht so richtig funktioniert. Schalke sowie Trainer Tedesco können da nun nichts dazu, weil es niemanden gab, der es sonst geschafft hat, auf Patz 2 zu kommen. Aber der Vizemeister, wie auch alles was dahinter kommt, hat sich in der vergangenen Saison nicht als international sehr hoffnungsvoll hervorgetan. Dazu kommt für Schalke, dass sie nun wieder neu mit der Mehrfachbelastung auskommen müssen. Hier muss ich auf eine Steigerung hoffen, weil die Leistungen der vergangenen Spielzeit in der Bundesliga, waren okay, aber die Vizemeisterschaft gab es, weil sich alle anderen Mannschaften in einem breiten Mittelfeld neutralisiert haben. Ich will gar nicht davon reden, dass Schalke mit Barca, Real oder ManCity konkurrieren könnte. Es wäre aber nett, wenn sie gegen Nikosia & Co. spielerisch überlegen wären und dazu noch punkten. Gilt aber für alle anderen auch.
7. Jugendförderung
Es wurde nach dem dramatischen Nachwuchsmangel Ende der 90er Jahre einiges getan. Durch eine gut Förderung bis in unser heutiges Jahrzehnt hinein, wurde nicht zuletzt der Grundstock für die WM 2014 gelegt. Aber seitdem ist einiges stagniert und andere Nationen, allen voran England haben nicht nur aufgeholt, sondern sind vorbei gezogen. Es ist zwar nicht alles so dramatisch wie es dieser welt.de - Artikel beschreibt. Aber bei der Errungenschaft, auf die man im deutschen Fußball doch eigentlich sehr stolz sein konnte, hat man ein paar Jahre zuwenig nach vorne gebracht. Vielleicht zu einseitig gefördert. Erfolge feiert vor allem der englische Nachwuchs. Aber starke Spieler kommen auch jedes Jahr aus Spanien und Frankreich hervor. Einzig Italien hat hier noch deutlicher Nachholbedarf.
Im Nachwuchsbereich liegt sicher nicht alles brach. Aber es scheint, als wenn andere Nationen schneller auf neue Anforderungen reagieren, als dies im deutschen Fußball der Fall ist. Der deutsche Nachwuchs bzw. die Förderung dafür muss wieder nachlegen, sonst stehen in der Liga, wie auch in der Nationalelf triste Jahre an.
Gut, das mal meine Eindrücke, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Aber vielleicht kann das ja als Dikussionsgrundlage dienen.