gast hat geschrieben:Die ganze Materie ist und kann tatsächlich wahnsinnig kompliziert werden. Hinsichtlich der Wettbewerbsverzerrung durch ungleiche Regelungen bei unterschiedlichen Vereinen ist es aber momentan schon komplizierter als nötig, undurchschaubarer und intransparenter, das Erahnen inwiefern ein noch hinnehmbares Maß an Wettbewerbsverzerrung vorherrscht oder nicht.
Eigentlich haben wir die hier ja. Die sind eindeutig und unmissverständlich. Sie wurden halt nur im Fall RB nicht konsequent angewendet. Das ist das einzige Problem. Eine Änderung dieser Regeln garantiert aber auch für die Zukunft nicht, dass dann wiederum die konsequent angewendet werden. (Siehe UEFA-Financial-Fairplay)
gast hat geschrieben:Rein juristisch betrachtet müssten eben klare Regelungen aufgestellt werden, die sinnvoll sind, notfalls schnell anpassbar, für alle gleichgültig und natürlich auch EU-rechtskonform.
Die Frage ist, ob es überhaupt möglich ist, entsprechend den erwünschten Zielen gestaltete Regeln aufzustellen, ohne in Konflikt mit anderen übergeordneten Vorschriften oder Rechtsgütern zu geraten? Anders gesagt: Wird es möglich sein, 50+1 abzuschaffen, ohne letztlich der Anarchie des dicksten Geldsacks freie Bahn zu verschaffen? Da wage ich keine Prognose.
Schon das EU-Wettbewerbsrecht, das auf rhetorischer Ebene segensreichen Wettbewerb zum Vorteil des TV-sehenden Kunden erreichen soll hat in der Anwendung "paradoxerweise" für den Kunden über die Rechte-Zersplitterung alles nur teurer und unkomfortabler gemacht. Und letztlich sind, gerade was Investorenschutz betrifft, ziemlich alle EU-Regeln ähnlich Wettbewerbswidrig und Kundenfeindlich gestaltet.
gast hat geschrieben:Zu bedenken ist aber auch, dass in Zeiten sportlichen Misserfolgs die "Proteststimmung" vermutlich größer ist, als wenn es alles gut läuft.
In der Sache scheinst du mir fundamental festgelegt. Nur mal drei Gegenbeispiele: Sowohl in Köln wie auch in Stuttgart gab es trotz aktuell besorgniserregendem Misserfolg keine Proteststimmung, schon gar nicht in der von dir permanent immer vorrangig assoziierten Kretin-Ausprägung. Im Gegenteil: Misstimmung kam erst auf, als Trainer, mit denen die Fans gerne auch durch die Tiefen weitergegangen wären, abserviert wurden.
Und wie man mit einer integrativen, Anti-Turbo-Kapitalismus-Vereinskultur einen klaren Kurs halten kann und dann auch bei sportlichem Misserfolg zusammenhält und gemeinsam wieder hochkommt, zeigt gerade Freiburg vorbildlich. Ohne Motzkis, Trainerabschuss, Köpferollen im Vorstand oder sonstigen Ausschreitungen.
Ich behaupte: Wo sehr viel mehr das McMoneysack-Prinzip herrscht, kommt es sehr viel schneller zu unterirdischen Mannschaftsbeschimpfungen, einem Verfall der Sitten, Busblockaden, Platzstürmen von sich selbst wahnsinnig überschätzenden Kunden und für die Avantgarde haltenden Hools, die dann nicht mehr von einem gesunden Umfeld eingedämmt werden können, weil das nämlich da nicht vorhanden ist.
Einer der engagiertesten, eher DER engagierteste Forderer einer ersatzlos, absolut sofortigen Abschaffung von 50+1 hier ist JDR. Lese dir mal seine Kommentare hier durch, wenn ein BuLi-Verein im EC nicht gewinnt oder gar verliert. Die Beleidigungs-, Schimpf- und Motztiraden sind einzigartig. Meiner Ansicht nach ist das kein Zufall, sondern genau die Haltung die von sowas nach oben gespült wird. Wenn du das Business nach solchen Kunden ausrichtest, hast du am Ende nur noch destruktive Trittbrettfahrer dabei, aber keine starken Marken aufgebaut.
gast hat geschrieben: Die Frage ist dann, was einen höheren Stellenwert hat, der Erfolg oder die Marke, was aber beides nicht immer voneinander zu trennen ist und wovon nur eines austauschbar ist, nämlich der Erfolg, der kommt und geht. Die Marke lässt sich nicht austauschen, weil es sie entweder gibt oder nicht.
Eine Marke kann man pflegen, indem man sie immer aus dem Bestehenden heraus konsistent weiterentwickelt oder vernichten, indem man ihre Wurzeln kappt, zugunsten irgendeines kurzatmigen und-sichtigen Aktionismus. Davon vor allem ist es abhängig, ob sie eine Phase des Misserfolgs überleben kann oder nicht. Vor allem ist eine Marke keine mysteriöse esoterische Entität, die entweder aus dem Nichts erscheint oder nicht. So eine Marke baut man auf und man muss sie ähnlich aufwendig pflegen, wie eine empfindliche Pflanze. Unterlässt man das, oder pflegt man sie falsch, geht sie ein.
[Verzeih mir die großkotzige Natur meines folgenden Hinweises: Unter anderem in diesem Bereich verdiene ich meine Brötchen, beratenderweise. DAS HEISST NICHT dass ich da deswegen keinen Irrtümern unterliegen kann oder davor gefeit wäre, Unsinn zu erzählen. Aber deshalb erlaube ich mir die recht selbstbewussten Aussagen zur grundsätzlichen Natur von Marken.]
gast hat geschrieben:Manchmal ist es aber auch so, dass es eine bestimmte Marke in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr gibt und dann ist es quasi irrational einzufordern, dass diese nicht mehr existente Marke am Leben gehalten wird. Der FC St. Pauli ist dafür vielleicht ein Beispiel, da der Verein ein Image hatte und heute einfach nicht mehr der Verein von früher ist.
Was unterscheidet Fortuna Köln, Tennis Borussia Berlin, Kickers Stuttgart und den FC. St. Pauli heute? In den 70ger und 80ger Jahren waren die alle noch in etwa auf dem selben Level. Heute ist St. Pauli ein höchst lebendiger Verein, im Profigeschäft, mit stets ziemlich ausverkauftem 30k-Stadion und einem lebendigen und attraktiven Umfeld. Das ist heute nicht mehr der Verein von gestern, sondern ein Verein von Heute mit Zukunft. Und das trotz sehr wechselhafter Bahn mit Zeiten im Amateurfussball. Eine echte Marke, nicht zuletzt weil man die Fans/loyalen Kunden immer mitgenommen hat auf dem Weg.
TB, Fortuna und Kickers dagegen sind praktisch tot, leere Zombie-Hüllen ihres früheren Ich. Dort waren aber auch Modelle wie: "Jean Löring schafft an und alle anderen können die Klappe halten" am Laufen.
gast hat geschrieben: Letztlich sollte aber sowas genau dem Verein überlassen werden...
Es gibt aus guten Gründen sowas wie Branchen- oder Arbeitgeberverbände oder Gewerkschaften. Oder im Sport z.B. Ligavereinigungen wie im Profisport in den USA. Überlässt man solche Dinge jedem einzelnen Verhandlungspartner alleine, profitieren nur die ohnehin schon stärksten davon. Aber auch nur begrenzt, mit der Zeit leiden sie dann auch selbst darunter, dass der Rest um sie herum untergeht. Daraus ergeben sich keine Inseln der Seligen, sondern sterbende Märkte in der Abwärtsspirale. Deshalb finde ich das, verzeih mir, eher naiv oder kurzsichtig.
gast hat geschrieben: Ich behaupte aber einfach mal, dass es keine Klubs gibt, die erfolgreich sind OHNE eine Marke zu sein,
Kurzfristig als one-hit-wonder oder dauerhaft? Als me-too-produkt kannst du auch mal vorübergehenden Erfolg haben. Wenn du daraus aber nicht einen dauerhaft konsistenten Markenkern entwickelst, wirst du genau so schnell wieder von der Bildfläche verschwinden.
gast hat geschrieben: Laut der BILD wird es am Montag Neues bzgl. der 50+1-Regel geben
Wenn Bild irgendwas ankündigt, finde ich das so spannend wie wenn Focus ankündigt, dass morgen in China ein Sack Reis umfallen könnte.
gast hat geschrieben: da wird auch der Herr Kind seit heute noch genauer hinschauen...
Anderen Medien zufolge ist das Problem bei Kind, dass er die Vorgaben der 50+1-Regel zu Übernahmen nach 20 Jahren nicht erfüllt hat, die da lauten: Mehr in den Verein investieren als der externe Hauptsponsor. Du forderst doch, dass die Regeln für alle gleich gelten sollen? Also passt das doch gerade gut?
Überhaupt ist Kind ein gutes Beispiel dafür, wie man ohne Not Leute im Umfeld gegen sich aufbringen kann, die einzubinden keine große Kunst wäre. In schlechten Momenten erinnert er fast an Ismaik.