Danke für das Video, das sind in kürze nicht alle Argumente, aber die wichtigsten Glaubenssätze kurz komprimiert. Es ging hier natürlich kaum darum jemanden von der Meinung des anderen zu überzeugen. Es ging eigentlich nur darum die Kontraste nebeneinander zu sehen. Hier die Befürworter von 50+1 und hier die Gegner. Macht ja auch nichts. Das kann man im TV auch so machen. Aber damit endet nicht der Prozess des Weiterdenkens.gast hat geschrieben:Dazu dieser Clip:
https://www.youtube.com/watch?v=7ftW-ME83ks
Letztlich hat sich Sport1 dort mal wieder zwei Parteien an den Tisch geholt, die eigentlich nur konträre Positionen gegeneinander vortragen, ohne dass sich an dem Grundverständnis der Leute vor Ort irgendetwas ändert, aber zumindest kann man sich in diesen zugegebenermaßen kurzen knapp 4 Minuten typische Argumente anhören. Wer da überzeugender argumentiert, ist dem Zuschauer überlassen.
Natürlich kommen die Argumente, dass es in der letzten Europacup-Saison nicht an den finanziellen Möglichkeiten lag. Ist ja auch vollkommen richtig. Wenn Freiburg gegen Domzale ausscheidet, dann hat nicht 50+1 verhindert, das Freiburg ausgeschieden ist. Das ist ungefähr so, als wenn man sich über sein Lieblungsurlaubsland unterhält: "Was ist Dir lieber? Italien oder Ägpten?" Und als Antwort kommt "Also Gurken mochte ich noch nie!" Das hat nichts mit der Grundfrage zu tun. Das tut Rettig aber.
Was sicherlich ein guter Einwand von Rettig ist, wenn er sagt, wir haben nichts gegen Investoren, aber dann bitte nach unseren Regeln. Das war das Plädoyer dafür, selbst die Mehrheit beim Verein zu halten. Okay, die Meinung kann man so vertreten. Aber er will dies allen Vereinen, insofern sie nicht im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten bereits Investorenmehrheit haben, vorschreiben.
Im Moment entwickelt es sich in Deutschland wohl so, wie ich es schon länger vermute, Investoren kommen, aber sie tun dies im Rahmen der gesetzten Möglichkeiten. Und was ist möglich? Ich steige einfach weiter unten im Ligensystem ein! RaBa und Hoffenheim sind oben angekommen. Wenn die Investoren bei Viktoria Berlin ernst machen, dann hätten diese die Möglichkeit einen Bundesligisten zu formen. Es dauert halt alles ein wenig länger, aber auf lange Sicht werden die verlieren, die den Status Quo so lange wie möglich aufrecht erhalten wollen. Weil für die werden die Plätze ganz oben weniger werden.
Natürlich gilt auch für Viktoria Berlin die 50+1. Aber die Verhandlungsbasis ist aktuelle eine ganz andere. Man hat hier einen Regionalligisten um unteren Mittelfeld, der aktuell als Verein ganz gut aufgestellt ist. Als Regionalligist aber vermutlich Schwierigkeiten hätte, die Klasse zu halten. Bereits vor Weihnachten wurden hier Spieler frei gegeben, weil die Zukunft ungewiss und wenig rosig aussah. Nun bekommt man das Angebot mit einem großen Investor ein, zwei vielleicht sogar drei Ligen höher zu kommen. Nicht sofort, das ist klar, aber im Laufe von mehreren Jahren. Was machen die Mitglieder bei so einem Verein also? Sie bereiten alles für den Deal vor. 97,5% votierten für eine Ausgliederung der Herrenelf aus dem Stammverein. Etwas was die meisten Profivereine auch ohne Investor schon gemacht haben. Hier war es allerdings eine vorbereitende Maßnahme als Grundvoraussetzung für den Einstieg.
Gut finde ich noch den Verweis auf Sachverstand und Kapitalkraft. Matthias Sammer sagte in einem Rasenfunkpodcast, dass man über Englands Geld so lange schmunzeln konnte, wie neben dem vielen Geld relativ begrenzter Sachverstand dabei war. Das hat sich die letzten Jahre drastisch verändert. Man holt dort nicht nur die teuersten Spieler. Man holt die Trainer, die Sportdirektoren, die Souts, sie Nachwuchstrainer, die Physiotherapeuten bisweilen auch die Köche aus Europa und verbessern ihre Infrasrukturen. Jetzt ist England immer noch die finanziell am besten betuchte Liga, aber mit einer enormen Kompetenz.
Ich würde nicht von Dummheit reden. Ich denke, das ist zum Teil eine ganz bewusste Entscheidung zu sagen, wir machen nicht alles mit. Anders ausgedrückt, uns geht es nicht darum England und Spanien Konkurrenz zu machen. Uns ist unsere Fussballkultur wichtiger. Das ist nun erstmal ein Ziel, das man respektieren kann. Es zeigt aber auch, dass Deutschland in seinen Strukturen auch wieder anders tickt, als der Rest Europas. Ob TV-Geld oder Stimmen bei der DFL. Die Bundesliga ist nicht nur die 1. Liga, sondern auch die 2. Liga. Wenn wir TV-Gelder verteilen, dann hat jedes Land seinen eigenen Schlüssel, die Kriterien hier sind unterschiedlich. Aber in der Regel ist damit die jeweilige Eliteliga des Landes gemeint. In Deutschland ist das eine Verteilung der besten 36 Mannschaften. Das darf man trotz relativ guten TV-Einnahmen nicht vergessen.gast hat geschrieben:Auf das Kapital zu verzichten ist ein Weg, ob das Sachverstand zeigt, ist eine andere Frage. Aber es ist wohl einfach dumm, zu meinen, dass die Abwesenheit von Geld den Sachverstand erhöht, das Umgekehrte ist ja auch nicht zwangsläufig der Fall, man höre sich mal in Hamburg oder Wolfsburg um.
Und bei der DFL ist dies ähnlich. Es können 36 Vereine abstimmen. Von denen denkt aber nicht mal die Hälfte an internationale Erfolge. Weil die Zugangsmöglichkeiten für einen 2. Ligisten zur Europa League sehr gering sind. Sprich, das wäre nur über einen Pokalsieg möglich. Und selbst wenn das mal alle 20 Jahre klappen würde. Das sind Fragen, die interessieren einen Klub in der zweiten Liga nicht. Das ist nicht deren wöchentliche Realität. Und tatsächlich ist es für, jetzt mach ich es mal namentlich, für St. Pauli völlig Wurscht, ob Deutschland in der 5-JW Erster, Vierter oder Achter ist.
Eine Investorenöffnung ist für einen Zweitligisten aber sicher nicht egal. Weil dann würde sich das Bild in der deutschen Fussball-Landschaft verändern. Es würde Vereine geben, die würden das kategorisch ausschließen. Es würde aber sicher auch die ersten geben, die das verwirklichen würden. Und wenn dann bei einem Erst oder Zweitligisten Geld und Sachverstand passen, um mal das oben wieder aufzugreifen, dann werden die, die nur Sachverstand haben zurück fallen. ^^ Gar nicht dran zu denken, was mit denen passieren würde, die weder Geld noch Sachverstand haben.
Letzten Endes hängt der Erfolg an mehr Dingen, als nur einem Investoreneinstieg. Eine einfach Bewahrung dessen was IST, ist aber in einem sich stetig weiter entwickelnden Sektor wie ein Rückschritt. Die Bundesliga ist trotz schlechter Europacup-Saison und verpatzter WM international nicht Zweitklassig geworden. Sie hat Defizite, die man vor 2-3 Jahren so noch nicht sah, aber sie ist immer noch konkurrenzfähig. Sie muss sich aber nun bewegen, dass sie zumindest das Level halten kann. Ich denke auch beim Thema 50+1 muss da nochmal nachgedacht und geredet werden. Wer nicht mal reden will, soll von mir aus auch so weiter machen dürfen, wie bisher. Aber dann sollten andere nicht darunter leiden müssen.